Citizen Science motiviert interessierte BürgerInnen, in den verschiedensten Fachrichtungen mit WissenschaftlerInnen zusammenzuarbeiten und sich aktiv an Forschungsprojekten zu beteiligen. Essentiell ist dabei eine geeignete Kommunikation zwischen WissenschaftlerInnen und Laien.
Ziel der vorliegenden Studie war es, die Auswirkung von VolksschülerInnen als MultiplikatorInnen für wissenschaftliche Projekte zu untersuchen und die lokale Bevölkerung in das Monitoring der frei fliegenden Waldrappe miteinzubeziehen. Die Waldrapp Kolonie wurde 1997 an der Konrad Lorenz Forschungsstelle in Grünau/Almtal (einer Core Facility der Universität Wien) gegründet um Grundlagenforschung zum Sozialverhalten betreiben und Wissen für Wiederansiedelungsprojekte dieser stark gefährdeten Spezies sammeln zu können.
SchülerInnen der umliegenden Volksschulen nahmen an umfangreichen Indoor- und Outdoor-Workshops über die Waldrappe teil. Der regelmäßige Kontakt zu den ForscherInnen, die Begegnungen mit den Vögeln im Freien sowie kindgerechte Vorträge von ExpertInnen trugen dazu bei, dass sich die SchülerInnen ein umfangreiches Wissen über diese stark gefährdete Vogelart aneignen konnten.
Die Kinder wurden dazu ermutigt, ihr gewonnenes Wissen über den Waldrapp als MultiplikatorInnen in ihrem Heimatort weiterzutragen. Sie berichteten ihren Familien und Freunden von ihren Erfahrungen und gaben möglichst viele Informationen über die Waldrappe weiter.
Anschließend wurden von den WissenschaftlerInnen gemeinsam mit SchülerInnen und LehrerInnen Fragebögen erstellt, mit denen (i) das allgemeine Wissen der Bevölkerung über die Art, (ii) das spezifische Wissen über die lokale Kolonie und (iii) die Einstellung zur Wissenschaft erhoben wurde. In den Jahren 2012 und 2016 wurden insgesamt 387 Personen befragt.
Geschichte(n) der Citizen Science avant la lettre in Österreich, 1850 bis 1950
Citizen Science hat sich in den letzten Jahren als neuer Sammelbegriff für wissenschaftliche Projekte etabliert, bei denen professionelle ForscherInnen mit „Laien“ zusammenarbeiten und gemeinsam – und in manchen Fällen sogar ohne die Hilfe von ForscherInnen – für neue Erkenntnisse sorgen. Solche Aktivitäten haben nicht zuletzt durch neue technische Möglichkeiten (insbesondere dank Smartphone und Applikationen) einen starken Schub erfahren. Längst haben sich eigene Plattformen und Netzwerke für Citizen Science etabliert – in Österreich etwa Citizen-Science.at mit rund 50 Projekten. Parallel existieren spezialisierte Fachjournale zu Citizen Science (z.B. Citizen Science: Theory and Practice) sowie eigene Konferenzen (z.B. Österreichische Citizen Science-Konferenz).
Was in der mittlerweile umfangreichen Fachliteratur zum Teil aber noch fehlt, sind Arbeiten zu historischen Citizen Science-Projekten – also zu einschlägigen Projekten mit BürgerInnen-Beteiligung, die durchgeführt wurden, bevor der Begriff Citizen Science noch geläufig war. Tatsächlich entspricht einiges von dem, was früher als Amateurwissenschaft bezeichnet wurde, den gängigen Kriterien von Citizen Science, also der Einbindung von „Laien“ in den wissenschaftlichen Forschungsprozess.
Für einen geplanten Sammelband zur Geschichte von Citizen Science in Österreich bzw. den Ländern der ehemaligen k.k. Monarchie sollen dabei die Jahre ab etwa 1850 im besonderen Fokus stehen, als die Institutionalisierung akademischer Forschung (etwa die Gründung von Akademien, wissenschaftlichen Fachgesellschaften, staatlichen Forschungsinstitutionen etc.) bereits begonnen hat. Beispiele für Citizen Science avant la lettre wären in Österreich bzw. Mitteleuropa etwa die Meteorologie mit der Einrichtung eines Netzwerks an Beobachtungsstationen unter Einbindung von Laien, die auch Grundlage für Pionierarbeiten in der frühen Klimaforschung waren. Ähnliches gilt für die Seismologie. (Für beide Bereiche vgl. die rezenten Arbeiten von Deborah Coen.)
Es existieren aber natürlich auch noch viele andere Bereiche und Disziplinen, in denen die Einbindung von Laien zum Teil bis heute üblich ist: Neben frühen ökologischen Forschungen gibt es Citizen Science in der Astronomie, aber auch in etlichen Sozial- und Geisteswissenschaften. Ein Beispiel für Letztere wäre die Erstellung von Mundartenlexika, zu denen sehr oft Laien zur Datengewinnung herangezogen wurden.
Broschüre „Citizen Science: Initiativen, Netzwerke, Plattformen, Förderungen“
Spätestens seit Ende des 20. Jahrhunderts ist Citizen Science zu einem Schlagwort für unterschiedliche Formen der Bürgerinnen- und Bürgerbeteiligung in wissenschaftlichen Forschungsprojekten geworden. Ihre Anfänge reichen jedoch in der Geschichte weit zurück. In Österreich hat die Zentralanstalt für Meteorologie bereits 1851 mit dem Aufbau eines phänologischen Beobachtungsnetzes begonnen. Heute findet Citizen Science nicht nur bei Naturbeobachtungs-Projekten Anwendung, sondern fasst zunehmend auch in den Geistes- und Sozialwissenschaften sowie in den Bereichen Medizin, Technik oder Kunst Fuß. Weltweit nehmen Institutionen Citizen Science in ihre Leitbilder und Strategien auf. Es entstehen Netzwerke, Plattformen und Initiativen, welche die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Gesellschaft fördern, Citizen Science-Akteurinnen und -Akteure vernetzen und so zur Konsolidierung von Citizen Science als Forschungsansatz bzw. Set an Methoden beitragen.
Mit der vorliegenden Broschüre bietet das Zentrum für Citizen Science einen umfassenden Überblick über CS-Initiativen, -Netzwerke, -Plattformen und -Förderungen auf nationaler und internationaler Ebene, ohne Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben. Dabei zeigt sich, dass Österreich im internationalen Vergleich durch das Förderprogramm Sparkling Science eine Vorreiterrolle im Hinblick auf die öffentliche Förderung von Citizen Science einnimmt. Seit dem Jahr 2007 wurden im Rahmen von sechs Ausschreibungen knapp 300 Projekte mit einem Gesamtfördervolumen von knapp 35 Millionen Euro gefördert, mit dem Ziel Barrieren zwischen Wissenschafts- und Bildungssystem abzubauen. Durch Österreich forscht bzw. das Citizen Science Network Austria und das Zentrum für Citizen Science wurden darüber hinaus Vernetzung und Kompetenzaufbau vorangetrieben. Damit fügt sich Österreich in eine Reihe von Ländern – Australien, Belgien, Deutschland, Neuseeland, Schweiz, USA, um nur einige zu nennen –, in denen Citizen Science sowohl top-down als auch durch bottom-up-Initiativen unterstützt wurde. Nicht zuletzt haben die Gründungen von internationalen Netzwerken, wie der Europäischen Citizen Science Association (ECSA), der Australischen Citizen Science Association (ACSA) oder von Citizen Science Asia, und öffentliche Förderungen durch nationale Regierungen oder das Europäische Forschungsrahmenprogramm „Horizon 2020“ zum Aufschwung von Citizen Science beigetragen.
Die Publikation „Citizen Science: Initiativen, Netzwerke, Plattformen, Förderungen“ ist unter diesem Link frei verfügbar.
Print-Exemplare können kostenlos beim Zentrum für Citizen Science bestellt werden: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
SchülerInnen unterschiedlicher Altersgruppen werden oft in Citizen Science Projekte miteinbezogen. Eine kindgerechte Kommunikation ist Voraussetzung für den Erfolg. Diese schafft Begeisterung und fördert nachhaltig Verständnis und Leidenschaft für die Naturwissenschaften. Im Journal Frontiers for Young Minds werden wissenschaftliche Artikel explizit für Kinder und Jugendliche zwischen acht und 15 Jahren publiziert. Diese sind online frei zugänglich und befassen sich mit neuesten Erkenntnissen zu verschiedenen Themen. Es stellt offensichtlich eine Herausforderung dar, seine Entdeckungen so zu formulieren, dass sie für Menschen in dem jungen Alter bereits nachvollziehbar sind, verglichen mit der Art des Beschreibens, wie man sie in wissenschaftlicher Form gewohnt ist. Es ist allerdings in keinem Fall verschwendete Energie, sich mit einer solchen Formulierung genauer auseinanderzusetzen. Denn das eröffnet die Chance, eine interessierte Jugend für den eigenen Wissenschaftsbereich zu begeistern.
Please find the English version below.
In einer kürzlich erschienenen Veröffentlichung in den Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America (PNAS) stellte die Arbeitsgruppe für Qualitätskriterien für Citizen Science Projekte auf Österreich forscht den einjährigen Prozess der Entwicklung transparenter Kriterien für die Entscheidung, welche Projekte auf Österreich forscht gelistet werden sollen, der wissenschaftlichen Gemeinschaft vor. In diesem Text sind wir auch über die österreichische Grenze hinausgegangen und haben vorgeschlagen, den gleichen Prozess wie in Österreich auf internationaler Ebene zu entwickeln, um Mindeststandards für Citizen Science-Projekte festzulegen. Ein solcher Prozess würde dem Feld helfen, sich zu entwickeln, und die politischen Entscheidungsträger ermutigen, CS-Projektdaten und -ergebnisse ernst zu nehmen. Den Volltext finden Sie hier.
Dazu gibt es auch einen Letter to the Editor von Auerbach et al. sowie unsere Antwort darauf von Heigl et al.
Im Rahmen des jährlichen Plattformtreffens von “Österreich forscht” am 01.03.2017 wurde von den anwesenden PartnerInnen beschlossen eine Arbeitsgruppe zu Qualitätskriterien für Citizen Science Projekte einzurichten. Dies wurde nötig, weil durch neue Förderprogramme und dem mittlerweile erreichten Bekanntheitsgrad von Citizen Science sich immer mehr Projekte zu Citizen Science zählen, welche auch die Aufnahme auf “Österreich forscht” beantragten. Bislang wurden Projekte von den Koordinatoren der Plattform vor der Aufnahme auf Konsistenz mit den unterschiedlichen Definitionen von Citizen Science geprüft. Um nun möglichst objektive, nachvollziehbare und vor allem auch öffentlich einsehbare Kriterien für die Zukunft zu schaffen, wurde die Arbeitsgruppe für Qualitätskriterien gegründet.
Die Arbeitsgruppe besteht aus ProjektleiterInnen und PartnerInnen von “Österreich forscht” und wird von Florian Heigl und Daniel Dörler geleitet. Ziel ist es bis zur kommenden Österreichischen Citizen Science Konferenz Anfang Februar 2018 in Salzburg einen Katalog mit Mindestkriterien zu erstellen, den alle Projekte auf “Österreich forscht” in Zukunft erfüllen müssen. Zusätzlich werden die Kriterien auf “Österreich forscht” für jeden einsehbar präsentiert werden. Die entwickelten Kriterien erhöhen einerseits die Qualität der Citizen Science Projekte auf der Plattform und bieten andererseits den BürgerInnen die Gewissheit, dass alle auf “Österreich forscht” gelisteten Projekte nach objektiven und nachvollziehbaren Qualitätskriterien durchgeführt werden. Ab dem Moment, an dem die Kriterien präsentiert werden, müssen alle Projekte, die auf der Plattform gelistet werden möchten, diese erfüllen.
Als Forscher kennen Sie diese Situation wahrscheinlich: Sie müssen sich einen Überblick über ein unbekanntes Forschungsgebiet verschaffen - und das schnell.
Traditionell war dies eine gewaltige Aufgabe. In diesem Workshop werden wir Fragen rund um die Suche nach wissenschaftlicher Literatur diskutieren und darüber, wie innovative Tools auf Basis von Open Content helfen können, diese Probleme zu lösen. Konkret werden wir uns Open Knowledge Maps, eine visuelle Schnittstelle zu wissenschaftlichem Wissen, genauer ansehen. Suchmaschinen und Entdeckungswerkzeuge sind auch eine Möglichkeit für andere Menschen, Ihre Forschung zu finden.Sie werden mehr darüber erfahren, wie diese Tools funktionieren und wie Sie dieses Wissen zu Ihrem Vorteil nutzen können. Dr. Peter Kraker wird praktische Tipps geben, um endlich die Frage zu beantworten: Wie bringe ich meine Forschung dazu, in Suchmaschinen und Discovery-Tools aufzutauchen?
Der Workshop wird interaktiv und praxisnah sein. Das Thema wissenschaftliche Literatursuche wird diskutiert und in Form einen rasanten und lustigen Spieles werden Ihnen die Open Knowledge Maps näher gebracht. Bitte vergessen Sie nicht, Ihren eigenen Laptop mitzubringen. Veranstaltungsort ist der Lesesaal der Österreichischen Zentralbibliothek für Physik. Stattfinden wird der Workshop am 26. April von 10:00-12:30 Uhr.
Die Anmeldung zu diesem Workshop und weitere Infos finden Sie hier: https://openknowledgemaps.eventbrite.de
Rotfüchse (Vulpes vulpes L.) sind in den letzten Jahren zu erfolgreichen Bewohnern von Stadtgebieten geworden. Unser Wissen über das Vorkommen, die Verteilung und den Zusammenhang mit der Landnutzung dieser städtischen Füchse ist jedoch schlecht, zum Teil weil viele der bevorzugten Lebensräume auf Privatbesitz liegen und daher für Wissenschaftler kaum zugänglich sind. Wir gingen davon aus, dass Citizen Science es den Forschern ermöglichen könnte, diese Informationslücke zu schließen. Wir analysierten 1179 Fuchs-Sichtungen in der Stadt Wien, welche über Citizen Science Projekte gemeldet wurden, um die Beziehungen zwischen Füchsen und den umliegenden Landnutzungsklassen sowie soziodemografischen Parametern zu untersuchen.
In Gärten, Gebieten mit geringer Bebauungsdichte, Parks oder Plätzen waren die Wahrscheinlichkeiten für die Begegnung mit Füchsen wesentlich höher als in landwirtschaftlichen Gebieten, Industriegebieten oder Wäldern. Modellanalysen zeigten, dass soziodemographische Parameter wie Bildungsniveau, Bezirksfläche, Bevölkerungsdichte und durchschnittliches Haushaltseinkommen die Vorhersagbarkeit von Fuchssichtungen zusätzlich verbesserten.
Berichte über Fuchsbeobachtungen durch Citizen Scientists könnten dazu beitragen, die Etablierung von Wildtiermanagement in Städten zu unterstützen. Darüber hinaus könnten diese Daten verwendet werden, um Fragen der öffentlichen Gesundheit im Zusammenhang mit Rotfüchsen zu behandeln, da sie Zoonosen tragen können, die auch für den Menschen gefährlich sind.
Der Originalartikel ist unter diesem Link frei zugänglich: https://bmcecol.biomedcentral.com/articles/10.1186/s12898-018-0207-7#Abs1
Welchen Beitrag können Citizen Science Projekte über Biodiversität zum naturwissenschaftlichen Unterricht und dem Wissenschaftsverständnis von Schülerinnen und Schülern einerseits, und Lehrpersonen anderseits, leisten?
Eine ganze Menge – wie die soeben publizierte Analyse der individuellen Lernergebnisse von Schüler/innen (im Alter von 8-18 Jahren) im Sparkling Science Projekt der BOKU „Natur vor der Haustür – Citizen Science macht Schule“ zeigt [1]. In einem pre-post-test wurden die Lernfaktoren Interesse, Motivation, Kompetenz (bzw. Selbstwirksamkeit), Einstellung sowie Verhalten der Schüler/innen untersucht. Volksschüler schnitten fast durchgehend besser ab als andere Altersgruppen und Mädchen erzielten zumindest ebenso gute Ergebnisse wie die Burschen. Beliebteste Tiergruppe waren die Vögel.
Viele weitere Facetten und zu berücksichtigende Faktoren für erfolgreiche Citizen Science Projekte finden Sie hier in einem freien Zugang zur Publikation:
https://www.tandfonline.com/eprint/RHJYYvk5Ca35W9PZSbPg/full
In diesem Zusammenhang spannend ist auch der Blick auf die Rolle der Lehrpersonen. In einem weiteren Beitrag[2] wurde getestet, wie sich durch die Beteiligung am selben Projekt das fachdidaktische Professionswissen entwickelt. Exemplarisch wurde dieses Wissen für Gymnasial-LehrerInnen und die beiden Organismengruppen Schmetterlinge und Wildbienen in einer Interviewstudie erhoben. Die aufschlussreichen Ergebnisse finden Sie hier im Open Access:
Citizen Science, die aktive Beteiligung der Öffentlichkeit an wissenschaftlichen Forschungsprojekten, ist ein schnell wachsendes Feld im Bereich Open Science und Open Innovation. Als weltweit wachsendes Phänomen wird es durch die Entwicklung neuer Technologien gestärkt, welche die Menschen einfach und effektiv miteinander und auch mit der Wissenschaft verbinden. Katalysiert durch den Wunsch der Bürger, sich aktiv an wissenschaftlichen Prozessen zu beteiligen, bietet Citizen Science aufgrund der jüngsten gesellschaftlichen Trends auch Beiträge zum lebenslangen Lernen. Darüber hinaus bietet Citizen Science ein wertvolles Instrument für die Bürgerinnen und Bürger, um eine aktivere Rolle bei der nachhaltigen Entwicklung zu spielen.
Citizen Science: Innovation in Open Science, Society and Policy identifiziert und erklärt die Rolle von Citizen Science innerhalb der Innovation in Wissenschaft und Gesellschaft und als eine dynamische und produktive Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Politik. Die Bandbreite dieses Bandes ist global und darauf ausgerichtet, Lösungen zu identifizieren, die in Wissenschaft, Praxis und Politik angewendet werden sollen. Die Kapitel befassen sich mit der Rolle der Citizen Science im Kontext der umfassenderen Agenda von Open Science und Open Innovation und diskutieren die Fortschritte bei Responsible Science and Innovation (RRI), zwei der kritischsten Aspekte der heutigen Wissenschaft.
Sie können das Buch gratis herunterladen unter https://www.ucl.ac.uk/ucl-press/browse-books/citizen-science.
Wir wünschen viel Spaß bei der Lektüre!
Mit zunehmender Informationsmenge, die von Citizen Scientists erzeugt wird, sind bewährte Verfahren erforderlich, die über die Wissenschaftskommunikation hinausgehen und diese Ergebnisse auch in der wissenschaftlichen Gemeinschaft veröffentlichen. Dieser Artikel ist eine Zusammenfassung unserer Erfahrungen bei der Veröffentlichung von Ergebnissen aus Citizen Science-Projekten in peer-reviewed Journalen, wie sie an der Österreichischen Citizen Science Konferenz 2018 in einer Vortragsreihe vorgestellt wurden. In diesem Artikel werden die Auswahlkriterien für die Veröffentlichung von Citizen Science-Daten in Open-Access-, Peer-Review- und wissenschaftlichen Zeitschriften sowie Barrieren während des Veröffentlichungsprozesses behandelt. Wir skizzieren auch Faktoren, die die Wahrscheinlichkeit der Veröffentlichung mit CS-Daten beeinflussen, einschließlich 1) der Finanzierung der Publikationskosten für open access; 2) Qualität, Quantität und wissenschaftliche Neuartigkeit von CS-Daten; 3) Empfehlungen zur Anerkennung der Beiträge von Citizen Scientists in wissenschaftlichen, peer-reviewed Publikationen; 4) Präferenz der Citizen Scientists für die praktische Erfahrung gegenüber der Veröffentlichung und 5) Befangenheit unter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern für bestimmte Datenquellen und den wissenschaftlichen Fachjargon. Diese Erfahrungen zeigen, dass die Beseitigung der oben genannten Hindernisse die Rate der in wissenschaftlichen Publikationen enthaltenen CS-Daten erheblich erhöhen könnte.
Der Originalartikel ist frei zugänglich unter: https://jcom.sissa.it/archive/17/03/JCOM_1703_2018_L01
Wer über ein bestimmtes Lebewesen spricht, muss sich im Klaren sein, dass es mehrere verschiedene Namen für diese Art geben kann. Oder derselbe Name in Publikationen für verschiedene Arten verwendet wurde. Und immer noch werden Jahr für Jahr weltweit tausende neue Arten entdeckt, klassifiziert und beschrieben. Aber auch die Klassifizierung ist durch neue Methoden und Forschungsergebnisse ständigen Veränderungen unterworfen.
Das verursacht Probleme, vor allem wenn es um Arten geht, die als Nahrungsmittel genutzt werden, Krankheitserreger oder Schädlinge sind, es sich um schützenswerte Arten handelt, oder invasive Arten die einheimischen Lebensräume bedrohen.
Ein wichtiger Schritt auf dem Weg das Namenschaos zu beseitigen wäre eine Datenbank aller Artnamen, die gültige mit ungültigen und/oder veralteten Namen verknüpft, neue Forschungsergebnisse einbindet und von Experten ständig aktualisiert wird. Und das möglichst kostengünstig.
Eine Datenbank die genau das leistet ist WoRMS, das World Register of Marine Species, die in Belgien, am Datenzentrum des Vlaams Instituut voor de Zee angesiedelt ist. Diese Datenbank beinhaltet über eine halbe Million Namen, die mehr als 240.000 verschiedene Arten von Meerestieren bezeichnen. Die Namen sind mit Publikationen und einer Fülle an weiteren Daten, wie zum Beispiel Bildern, Verbreitungsangaben und der Information, ob es sich um eine invasive Art handelt, verknüpft. Sie wird von etwa 500 ehrenamtlichen Editoren, darunter auch etliche Citizen Scientists auf der ganzen Welt ständig aktualisiert und erweitert. In einem kürzlich erschienen Artikel im bekannten Journal Trends on Ecology and Evolution schlagen die Vorsitzenden des WoRMS Steering Committee vor die bewährte Struktur von WoRMS für ein internationales Register aller Organismennamen zu nutzen.
Artikel: Costello MJ, Horton T, Kroh A. 2018. Sustainable biodiversity databasing: international, collaborative, dynamic, centralised. Trends in Ecology and Evolution in press. https://doi.org/10.1016/j.tree.2018.08.006
Die Spanische Wegschnecke (Arion vulgaris, auch bekannt als A. lusitanicus) gilt als eine der invasivsten Arten in Landwirtschaft, Gartenbau und privaten Gärten in ganz Europa. Obwohl diese Schnecke seit Jahrzehnten problematisch ist, ist noch nicht viel über ihr Vorkommen in privaten Gärten und die zugrunde liegenden meteorologischen und ökologischen Faktoren bekannt. Ein Grund für diese Wissenslücke ist der eingeschränkte Zugang von Forschern zu privaten Gärten. Hier wurde mit einem Citizen-Science-Ansatz untersucht, ob das Auftreten von Arionidae in österreichischen Gärten mit meteorologischen (Lufttemperatur, Niederschlag, globale Sonneneinstrahlung, relative Luftfeuchtigkeit) oder ökologischen Faktoren (Pflanzenvielfalt, Regenwurmaktivität) zusammenhängt. Das Vorkommen der invasiven A. vulgaris gegenüber der ähnlich aussehenden einheimischen A. rufus wurde mit einem DNA-Barcoding-Ansatz verglichen.
Nacktschnecken wurden aus Gärten der trockenen pannonischen Tiefebene bis zum feuchten alpinen Klima (Höhenlage 742 m) gesammelt. Die Parameter, welche die Schneckenhäufigkeit in Gärten am besten erklärten, waren die Summe der mittleren Lufttemperatur im Frühjahr, die Anzahl der Frosttage im vergangenen Winter und die mittlere tägliche globale Sonneneinstrahlung am Tag der Datenerfassung. Diese hatten eine negative Auswirkung auf die Schneckenhäufigkeit. Niederschlag, Pflanzenvielfalt und Regenwurmaktivität waren ebenfalls mit der Schneckenhäufigkeit verbunden, aber positiv. 92% aller mit DNA-Barcoding untersuchten Schnecken wurden als Spanische Wegschnecke identifiziert.
Unsere Studie hat gezeigt, dass Citizen Science (i) ein praktikabler Ansatz ist, um das Vorkommen von Arten in nur eingeschränkt zugänglichen Gebieten über einen weiten geographischen Bereich zu erfassen und (ii) breiter eingesetzt werden könnte, um die zugrunde liegenden Umweltfaktoren des Vorkommens von Arten zu identifizieren.
Dieser Artikel ist in BMC Ecology erschienen und kann unter https://bmcecol.biomedcentral.com/articles/10.1186/s12898-018-0179-7 frei verfügbar auf englisch gelesen und heruntergeladen werden.
Citizen Science ist nicht nur Daten sammeln für wissenschaftliche Projekte. Das zeigt nun auch deutlich eine kürzlich publizierte Studie, in der 143 Expertinnen und Experten aus dem Umweltbildungsbereich befragt wurden. So birgt Citizen Science im Umweltbereich ein Potential der Wissensgenerierung, Schaffung von Lernmöglichkeiten und das Ermöglichen von zivilgesellschaftlichem Engagement.
Hier die deutsche Übersetzung der Zusammenfassung aus dem Original-Artikel:
Citizen Science bietet ein erhebliches Innovationspotenzial in Wissenschaft, Gesellschaft und Politik. Um Umwelt- und Naturschutzziele zu fördern, kann Citizen Science (i) neues Wissen generieren, (ii) das Bewusstsein schärfen und ein vertieftes Lernen ermöglichen sowie (iii) Bürgerbeteiligung ermöglichen. Hier untersuchen wir, wie diese Ziele in Citizen Science Projekten umgesetzt werden und bewerten die Bedürfnisse und Herausforderungen für die Förderung von Citizen Science und die Förderung zukünftiger Initiativen. Dazu haben wir eine quantitative, webbasierte Umfrage mit 143 Experten aus dem Umwelt- und Bildungssektor in Deutschland, Österreich und der Schweiz durchgeführt. Unsere Ergebnisse zeigen, dass Citizen Science Projektmanager Ziele verfolgen, die sich auf alle drei möglichen Wirkungsbereiche beziehen. Interessanterweise wurde die Förderung der Bürgerbeteiligung im Hinblick auf die Generierung neuen Wissens und die Schaffung von Lernmöglichkeiten als etwas weniger wichtig erachtet. Aus unserer Analyse ergeben sich verschiedene Handlungsfelder. Um das Potenzial von Citizen Science für die Generierung von Wissen voll auszuschöpfen, sollte der Verbesserung der Kapazitäten für einen effektiveren Austausch von Forschungsergebnissen mit der wissenschaftlichen Gemeinschaft durch Veröffentlichung, auch in wissenschaftlichen Zeitschriften, Vorrang eingeräumt werden. Eine systematische Evaluierung ist notwendig, um ein besseres Verständnis der Lernergebnisse der Bürgerinnen und Bürger zu erlangen, für die noch Kriterien entwickelt werden müssen. Die Förderung von Projektformaten, die es den Teilnehmerinnen und Teilnehmern ermöglichen, sich in den gesamten Forschungsprozess einzubringen - von der Fragestellung bis zur Umsetzung der Ergebnisse - könnte den transformativen Aspekt von Citizen Science auf gesellschaftlicher Ebene verbessern. Wichtige strukturelle Aspekte, die angegangen werden müssen, sind die Anpassung der Förderprogramme, die Erleichterung der Kommunikation zwischen Bürgerinnen und Bürgern und Wissenschafterinnen und Wissenschaftern sowie Angebote für Ausbildung, Beratung und Vernetzung.
Den englischen Volltext können Sie hier gratis runterladen: https://bit.ly/2NYFs9h
In den Projekten “Woody Woodpecker” (Sparkling Science) und „Citree“ (Top Citizen Science; citree.net) beschäftigen sich ein Forschungsteam der Universität Innsbruck mit Wachstum, Struktur und Funktion von Holz. Für den Baum erfüllt Holz (unter anderem) wichtige hydraulische Funktionen, weil es den Transport von großen Mengen Wasser aus den Wurzeln bis in die Blätter gewährleistet. In Kooperation mit Vorarlberger Schulen wurde die Struktur und Funktion des Stammholzes entlang von Höhentransekten untersucht und die SchülerInnen dabei in den gesamten wissenschaftlichen Prozess - von Probennahme über Messung bis Datenanalyse - einbezogen.
Die Ergebnisse dieser Untersuchungen, inklusive der mit den SchülerInnen erarbeiteten Datensätze, wurden kürzlich in der peer-reviewten internationalen Fachzeitschrift „Tree Physiology“ unter dem Titel „Robustness of xylem properties in conifers: analyses of tracheid and pit dimensions along elevational transects“ veröffentlicht. In diesem Artikel werden diverse höhenabhängige Veränderungen in der Holzanatomie nachgewiesen. Interessanterweise handelt es sich dabei um Anpassungen an die mit zunehmender Höhenlage geringere Größe der Bäume und nicht um Effekte der extremeren Umweltbedingungen (z.B. niedrige Temperaturen und kurze Vegetationsperiode). Somit ist auch der Bau des Holzes von Waldgrenzbäumen im Wesentlichen auf eine hydraulische Optimierung ausgerichtet.
Dieses Beispiel zeigt, dass Citizen Science Ansätze zu relevanten wissenschaftlichen Publikationen – „Tree Physiology“ belegt Rang 2 von 64 gelisteten Zeitschriften im Bereich „Forestry“- führen können. In diesem Fall wurde die notwendige Qualität und Reproduzierbarkeit der durch die SchülerInnen erfassten Daten durch die Definition einer strikten und in jedem Einzelschritt nachprüfbaren Sequenz von Arbeitsschritten sichergestellt. So war es möglich, den gesamten Analysevorgang von der Entnahme von Holzbohrkernen über die Herstellung mikroskopischer Präparate und die Erstellung von Aufnahmen bis zur Durchführung der automatisierter Bildanalyse zu kontrollieren und gegebenenfalls zu reproduzieren. Für die WissenschaftlerInnen ermöglichte die Beteiligung der SchülerInnen ein Mehr an Proben und Standorten.
Mit dem defacto-Start des Vorhabens ab Mai 2016 ist das Monitoringprojekt „Vielfalt bewegt! Alpenverein“ sehr gut angelaufen. Die laufenden Rückmeldungen von verschiedenen Seiten zeigen, dass das Vorhaben „Vielfalt bewegt! Alpenverein“ im Verein selbst und bei seinen Mitgliedern sehr positiv aufgenommen wird. Es wird als wichtiger Baustein in der Naturschutz- und Bewusstseinsbildungsstrategie des Alpenvereins angesehen. Das Vorhaben bewegt nicht nur seine Mitglieder, sondern es generiert auch über die 20 ausgewählten alpinen Arten neues Wissen und Erfahrungen zum Thema Biodiversität, das innerhalb des Vereins auch in anderen Vorhaben und Bereichen (Alpenvereinsjugend, Bergsport, Hütten und Wege) weitergetragen wird.
Der Erfolg ist auch am laufenden Anstieg der Beobachtungen und besonders an der ständigen Nachfrage der produzierten Bildungsmaterialien erkennbar.
Zur besseren Einbindung von Kindern und Familien in die Einschulungsworkshops, aber auch als eigenständiges Bildungsmaterial, wurde ein kindgerechtes Naturtagebuch gestaltet, das die Inhalte des Projektes und die Informationen zu den Arten altersgerecht vermittelt.
Die steigende Zahl der Beobachtungen machte eine umfassende Datenbanklösung sowie eine Beobachtungs-App notwendig. Die App erleichtert die Dateneingabe der Beobachtungen, das Webportal reduziert die organisatorischen Aufwände für Datenablage wie auch Datenabfragen.
Florian Heigl und Daniel Dörler rufen in einem Text im Bereich "Correspondence" im Fachjournal Nature dazu auf, Citizen Science klarer zu definieren.
Sie argumentieren, dass nur dadurch die Qualität, die Offenheit, die Kommunikation, die Zusammenarbeit und die Einhaltung von geltenden Gesetzen (z.B. Datenschutz) gewährleistet werden kann. Obwohl Citizen Science ständig weiter wächst, gibt es derzeit noch keine weltweit einheitliche Definition. Darum wurde auf "Österreich forscht" die Arbeitsgruppe für Qualitätskriterien gegründet um die Qualität von Citizen Science in Österreich zu sichern und weiter auszubauen. Mit diesem Schritt möchten sie auch andere Plattformen und Netzwerke dazu animieren in die selbe Richtung zu gehen.
Zum Volltext gelangen Sie hier: https://www.nature.com/articles/d41586-017-05745-8
Florian Heigl und Daniel Dörler rufen in einem Text im Bereich "Correspondence" im Fachjournal Nature dazu auf, Citizen Science klarer zu definieren.
Sie argumentieren, dass nur dadurch die Qualität, die Offenheit, die Kommunikation, die Zusammenarbeit und die Einhaltung von geltenden Gesetzen (z.B. Datenschutz) gewährleistet werden kann. Obwohl Citizen Science ständig weiter wächst, gibt es derzeit noch keine weltweit einheitliche Definition. Darum wurde auf "Österreich forscht" die Arbeitsgruppe für Qualitätskriterien gegründet um die Qualität von Citizen Science in Österreich zu sichern und weiter auszubauen. Mit diesem Schritt möchten sie auch andere Plattformen und Netzwerke dazu animieren in die selbe Richtung zu gehen.
Zum Volltext gelangen Sie hier: https://www.nature.com/articles/d41586-017-05745-8
In einem Artikel mit dem Titel "The Challenge of Evaluation: an Open Framework for Evaluating Citizen Science Activities" haben wir gemeinsam mit Kolleginnen des Zentrums für Soziale Innovation und von iDiv in Deutschland einen offenen Evaluationsrahmen entwickelt, der es sowohl Fördergebern als auch Projektleiterinnen und -leitern ermöglichen soll, eine kritische Betrachtung auf Citizen Science Aktivitäten zu werfen und diese auch zu bewerten. Hier eine kurze Zusammenfassung:
In der heutigen wissensbasierten Gesellschaft erlebt Citizen Science einen enormen Aufstieg. Die Ziele von Citizen Science sind neue wissenschaftliche Erkenntnisse, die Beantwortung von gesellschaftsrelevanten Fragen, die Förderung der Fähigkeit zum Verständnis von wissenschaftlichen Texten in der Gesellschaft und die Veränderung von Wissenschaftskommunikation.
Diese Ziele werden jedoch oft nicht evaluiert, und sowohl Projektleiter als auch potenzielle Förderer stehen oft im Dunkeln wenn es um die Bewertung von Qualität und Wirkung von Citizen Science geht. Um die Qualität der Ergebnisse von Citizen Science Projekten zu sichern und zu steigern werden Evaluationsmethoden für Planung, Selbstevaluation und Trainingsentwicklung sowie zur Erstellung von Förder- und Auswirkungsberichten benötigt.
Mit diesem Artikel, basierend auf einer tiefgehenden Analyse der Charakteristiken und der Vielfalt von Citizen Science Aktivitäten und derzeitigen Evaluationsmethoden, haben wir einen offenen Rahmen entwickelt, der auf die verschiedensten Citizen Science Aktivitäten, von Bürgerbewegungen bis hin zu Projekten, welche von WissenschaftlerInnen geleitet werden, anwendbar ist. Dieser Rahmen beinhaltet soziale, wissenschaftliche und sozio-ökologische/ökonomische Perspektiven von Citizen Science und bietet damit eine umfassende Sammlung von Indikatoren.
Die Indikatoren können von allen dieser drei Perspektiven sowohl auf der Prozess-, als auch auf der Auswirkungsebene ausgewählt und schwerpunktmäßig eingesetzt werden, je nach spezifischem Kontext und Ziel. Der Rahmen dient daher der kritischen Bewertung von Citizen Science Projekten in Bezug auf die gewählten Ziele sowohl für externe Bewertung und Förderung als auch für die interne Projektentwicklung.
Der Beitrag “Citizen Science in the Social Sciences: A Call for More Evidence.” ist in der Fachzeitschrift GAIA – Ökologische Perspektiven für Wissenschaft und Gesellschaft erschienen. Darin beleuchten die Autoren das Thema Citizen Science aus der Perspektive der Sozialwissenschaften und setzen sich mit den spezifischen Herausforderungen auseinander, die bei der Umsetzung von sozialwissenschaftlichen Citizen Science Projekten entstehen.
Zum Inhalt: In den Naturwissenschaften ist Citizen Science bereits etabliert und wird immer populärer. Dort wird Citizen Science in auflagenstarken Fachzeitschriften (Nature, Science) diskutiert und Ressourcen über große Organisationen gebündelt (ECSA, CSA). Sozialwissenschaftliche Citizen Science Projekte sind bis heute höchstens eine Randerscheinung. Dies ist verwunderlich, da viele sozialwissenschaftliche Themen, z.B. die Effektivität sozialer und politischer Institutionen, in der Gesellschaft viel diskutiert werden und einen großen Einfluss auf das Leben von Bürger/innen haben.
Die Autoren argumentieren, dass die zurückhaltende Umsetzung von Citizen Science in den Sozialwissenschaften einerseits mit der normativen Perspektive derselben, andererseits aber auch mit ganz konkreten praktischen Herausforderungen zusammenhänge. Dazu zählt etwa die Mobilisierung von Ansprechgruppen. Sozialwissenschaftliche Forschung ist oft stark kontextgebunden, der direkte Erkenntnisgewinn aufgrund der Kontextgebundenheit schwer vermittelbar und konkrete Hobbyorganisationen nur schwer zu identifizieren. Zweitens ist die Sicherung der Datenqualität eine besondere Herausforderung. Sozialwissenschaftliche Forschung basiert meist auf menschlicher Beobachtung und ist daher fehleranfälliger als objektive naturwissenschaftliche Messungen, z.B. mit technischen Messgeräten. Drittens existieren auch besondere ethische Herausforderungen, da die Sozialwissenschaften sich mit menschlichen Untersuchungssubjekten beschäftigen. Die ethischen Standards der sozialwissenschaftlichen Forschung müssen deshalb erfolgreich vermittelt und von den Freiwilligen mitgetragen werden.
Trotz dieser Herausforderungen sei es wichtig, dass Projekte mit Citizen Science experimentieren. Denn die Kooperation zwischen Wissenschaftsinstitutionen und Bürger/innen erlaubt den Zugriff auf „versteckte“ und große Datenmengen, etwa im Bereich Social Media. Citizen Science birgt daher großes Innovationspotential, dem sich die Sozialwissenschaft nicht verschließen darf.
Der Artikel ist Open Access, also frei zugänglich: http://www.ingentaconnect.com/contentone/oekom/gaia/2017/00000026/00000001/art00008
In dem im Juli 2017 im Journal of Insect Conservation erschienen Fachartikel mit dem Titel ‚Simplified and still meaningful: assessing butterfly habitat quality in grasslands with data collected by pupils‘ berichten Johannes Rüdisser, Erich Tasser, Janette Walde, Peter Huemer, Kurt Lechner, Alois Ortner und Ulrike Tappeiner über wichtige Ergebnisse aus dem Projekt Viel-Falter. In diesem Sparkling Science Projekt wurde untersucht, ob und wie Schulklassen einen Beitrag zu einem systematischen Monitoring heimischer Tagfalter leisten können. Hierfür wurde ein speziell für Schulklassen entwickeltes Erhebungssystem für siedlungsnahe Schmetterlingslebensräume verwendet. Über 500 Schüler und Schülerinnen aus 14 Tiroler Schulen führten damit drei Jahre lang Beobachtungen an 35 verschiedenen Standorten durch. Evaluiert wurden die Ergebnisse der Schulklassen mit Hilfe unabhängiger Expertenbeobachtungen an denselben Standorten. Es zeigte sich, dass die von den Schulklassen gesammelten Daten über das Vorkommen bestimmter Tagfaltergruppen - trotz fehlender Artbestimmung - wichtige Informationen über die Qualität der untersuchten Schmetterlingslebensräume liefern. Diese erfreulichen Ergebnisse veranlasste das Team das Projekt im Rahmen der Top Citizen Science Initiative mit freiwilligen Schmetterlingsbeobachtern fortzusetzen.
Der englischsprachige Artikel ist hier frei zugänglich (Open Access).
Am 05. Juni 2017 wurde ein neues internationales Paper im Fachjournal "Citizen Science: Theory and Practice" veröffentlicht, in dem ForscherInnen rund um den Globus beschreiben, welche verschiedenen Terminologien es für Citizen Science gibt und welche Auswirkungen diese auf die Praxis von Citizen Science haben. Theoretische, historische, geopolitische und disziplinenabhängige Definitionen von Citizen Science flossen in dieses Paper mit ein. Es ist frei verfügbar und kann unter diesem Link heruntergeladen werden. Wir freuen uns, dass auch Daniel Dörler und Florian Heigl von "Österreich forscht" an diesem Paper mitschreiben durften! Hier eine kurze Zusammenfassung auf deutsch:
Um Citizen Science zu definieren, sollte sehr auf die Worte geachtet werden, die zur Beschreibung dieser Methode verwendet werden, denn die Terminologie bestimmt wie Wissen erzeugt wird. Citizen Science ist ein sich rasch entwickelndes Feld, welches auf der Einbeziehung der Bevölkerung in den Bereichen Informationsentstehung, sozialem Handeln, sozialer Gerechtigkeit und Informationserfassung beruht. Derzeit wird eine Vielzahl von Ausdrücken und Begriffen verwendet, um auf das Konzept Citizen Science und die darin handelnden AkteurInnen zu verweisen. In diesem Artikel erkunden wir diese Begriffe um Leitlinien für die weitere Entwicklung dieses Feldes zu geben. Wir tun dies in dem wir
Diese Sammlung von Begriffen wurde in erster Linie durch das breite Wissen der AutorInnen, die sehr viel Erfahrung mit Citizen Science in ihrer täglichen Arbeit sammeln konnten, erstellt. Außerdem wurden mögliche Probleme mit verschiedenen Terminologien festgehalten. Obwohl unsere Beispiele nicht systematisch oder vollständig sein können, sollen sie künftige Untersuchungen anregen. In unserer kollektiven Erfahrung mit Citizen Science Projekten ist kein Einzelbegriff für alle Kontexte angemessen. Wir schlagen deshalb vor in einem Citizen Science Projekt verwendete Begriffe und Terminologien sorgfältig zu wählen und ihre Verwendung zu erklären; direkte Kommunikation mit den TeilnehmerInnen eines Projektes über die Terminologien, wie sie dadurch in ihrer Tätigkeit beeinflusst werden können und wie sie selbst bezeichnet werden möchten, sollten ebenfalls stattfinden. Zusätzllich empfehlen wir, dass eine systematische Untersuchung der Terminologietrends in Citizen Science durchgeführt wird.
Journal: Human Computation
Zum Volltext: http://hcjournal.org/ojs/index.php?journal=jhc&page=issue&op=view&path%5B%5D=10.15346%2Fhc.v3i1
In dieser Sonderausgabe eines wissenschaftlichen Journals in englischer Sprache, welches erst 2014 gegründet wurde, steht die Abschlussveranstaltung 2015 des Citizen CyberLab (CCL) im Mittelpunkt. CCL war ein Drei-Jahres Projekt gefördert durch das FP7 Rahmenprogramm der Europäischen Union, mit dem Ziel die Kreativität und das Lernen in Citizen Science zu erforschen. Daher finden wir in dieser Ausgabe keine neuen Forschungsergebnisse aus klassischen Citizen Science Projekten, sondern Erkenntnisse darüber, welche Rolle die Kreativität und das Lernen in Citizen Cyberscience Projekten spielt.
FRANÇOIS GREY schreibt in der eher patetischen Einleitung zur Sonderausgabe, dass ein Ziel von Citizen Science Projekten, welche ja Bildung und Kreativität anbieten, sein sollte BürgerInnen zu helfen kritisch zu sein und alles zu überprüfen und nicht einfach zu akzeptieren, was ihnen angeboten wird. Wissenschaft werde ja oft mit wissenschaftlichen Fakten gleichgestellt. Aber die wissenschaftliche Methode beschreibt eine Reise, keinen Zielpunkt. In der Wissenschaft geht es darum sich vorsichtig weiterzubewegen, wie der Kapitän eines Schiffes, ständig die Methode und die Ergebnisse hinterfragend. Es geht nicht darum Gewissheit und Wahrheit zu erreichen, sondern darum unaufhörlich und mutig zu zweifeln.
(A goal of citizen science should be, through the learning and creativity that such projects offer, to help citizens “...be critical and verify, and not accept, everything they are offered”. Science is often identified with scientific facts. Yet the scientific method describes a journey, not a destination. It is about moving forward cautiously, like the pilot of a ship, constantly questioning methods and results. It is not about achieving certainty and truth, but about ceaselessly daring to doubt.)
In einer Zeit, wo die Meinungen von wissenschaftlichen Experten von einigen PolitikerInnen angezweifelt werden, mit potentiell katastrophalen Konsequenzen für den Planeten, scheint es einfältig zu sein die wissenschaftliche Kritikfähigkeit als Ziel von Citizen Science hervorzuheben. Aber mehr Vertrauen in die Wissenschaft muss durch eine stärkere Anerkennung der wissenschaftlichen Methode und durch einen offeneren und inklusiveren Ansatz geschehen um wissenschaftlichen Fortschritt zu ermöglichen.
(At a time when the opinions of scientific experts are being put in doubt by some politicians, with potentially disastrous consequences for the planet, it might seem foolish to emphasize the importance of scientific doubt as a goal of citizen science. However, more confidence in science must pass through a deeper appreciation of the scientific method, and a more open and inclusive approach to achieving scientific progress.)
Am 10. Oktober 2016 wurde ein wissenschaftlicher Fachartikel aus dem Projekt “Roadkill” publiziert. Dieser Artikel mit dem Titel "Comparing Road-Kill Datasets from Hunters and Citizen Scientists in a Landscape Context" wurde von Florian Heigl, Carina R. Stretz, Wolfgang Steiner, Franz Suppan, Thomas Bauer, Gregor Laaha und Johann G. Zaller geschrieben und ist frei zugänglich. Wir bedanken uns hiermit sehr herzlich für die enge Zusammenarbeit mit den TeilnehmerInnen des Projekts und mit drei Instituten der Universität für Bodenkultur, und freuen uns auf viele weitere Publikationen und Erfolgsgeschichten.
Als kleine Hintergrundinformation: Dieser Artikel wurde am 30. Juli 2016 beim Verlag eingereicht, von vier internationalen Fachgutachtern überprüft und bis zur fertigen Publikation vier mal überarbeitet. Die Publikation hat durch diesen peer-review Prozess an Qualität gewonnen und ist eine entscheidende Anerkennung für das Projekt, alle Projektbeteiligten und für Citizen Science im Allgemeinen.
Der Artikel ist auf englisch für jeden unter dem folgenden Link frei zugänglich: http://www.mdpi.com/2072-4292/8/10/832/htm
Hier die deutsche Zusammenfassung des Artikels:
Als ich begonnen habe mich mit Citizen Science zu beschäftigen und die Plattform "Österreich forscht" aufzubauen, musste ich mir Literatur zu diesem Feld erst zusammensuchen. Ich fing mit einigen wissenschaftlichen Artikeln an und kam bald zu dem Schluss, dass mir der grobe Überblick fehlte, den ich mir normalerweise über Bücher beschaffe. Glücklicherweise kam genau in diesem Jahr eines der ersten Citizen Science Bücher auf den Markt: "Citizen Science – Public Participation in Environmental Science" herausgegeben von Janis L. Dickinson und Rick Bonney und in englischer Sprache gedruckt durch die Cornell University Press 2012. Dieses Buch bietet einen guten ersten Einstieg in das Thema und versucht auf breiter Basis zu informieren, bleibt aber sehr auf den U.S. amerikanischen Raum fokussiert. Wie der Titel bereits vorausschickt, behandeln die Autoren dieses Buches Citizen Science in den Umweltwissenschaften, schließen also unter anderem Geistes- und Sozialwissenschaften aus. Das Inhaltsverzeichnis des Buches kann über Google Books eingesehen werden, aber grundsätzlich teilt es sich in drei Abschnitte, beginnend mit State of the Art: Was versteht man unter Citizen Science, ein kurzer geschichtlicher Abriss und eine Projektauswahl werden geboten sowie ein kurzes Kapitel zur Evaluierung. Im zweiten Abschnitt wird auf die Vorteile von Citizen Science vor allem für Monitoringprogramme eingegangen, es werden aber auch hilfreiche Tools wie z.B. im Data Mining vorgestellt. Im dritten Abschnitt begibt man sich auf eine Metaebene in der den LeserInnen die pädagogischen, sozialen und verhaltensbezogenen Aspekte von Citizen Science näher gebracht werden. Dieses Buch ist für den Einstieg in Citizen Science sehr zu empfehlen, da es durch Dickinson und Bonney herausgegeben, aber von vielen unterschiedlichen Autoren mit großem Fachwissen geschrieben wurde. Daraus resultiert zwar eine Informationsfülle, jedoch leidet mitunter die Lesbarkeit. Der recht gute Index ermöglicht es das Buch auch sehr gut als Nachschlagewerk zu verwenden. Wem nach dem Lesen erst so richtig der Wissensdurst in Citizen Science gepackt hat, der kann das 33 seitige Literaturverzeichnis nach interessanten Studien durchwühlen.
Zusammengefasst, ein gutes Einsteigerbuch mit Qualität zum Nachschlagewerk mit Fokus auf die U.S.A.
Das GEWISS-Konsortium in Deutschland hat eine Handreichung zu Citizen Science veröffentlicht, bei der wir mitarbeiten durften. Darin geht es um Fragen wie: Welche Punkte muss ich bei der Projektplanung beachten? Wie kann ich Fördermittel einwerben? Welche Form der Öffentlichkeitsarbeit unterstützt mein Anliegen und motiviert Mitforscher? Im ersten Teil helfen viele praktische Tipps bei der Entwicklung des Projekts. Eine grafische Darstellung der Projektmeilensteine und eine Checkliste runden die Darstellung ab.
Im zweiten Teil wird die Umsetzung von Citizen Science in bestimmten Bereichen wie Naturschutz, Geisteswissenschaften oder im digitalen Raum beschrieben und reflektiert. Vierzehn verschiedene Projekte kommen hier über eingebaute "Geschichten" zu Wort und teilen ihre Erfahrungen mit den Lesenden.
Die Handreichung gibt es bei unseren Kolleg*innen von Bürgerschaffenwissen gratis zum Download: