Was unter Citizen Science fällt und was nicht, ist Bestandteil reger Diskussionen in der Citizen Science-Gemeinschaft. Citizen Science-Projektplattformen, wie z.B. „Österreich forscht", haben deswegen Kriterien festgelegt, die Projekte erfüllen müssen, bevor sie als Citizen Science-Projekt auf der Website erscheinen.
Während die genannten Qualitätskriterien einem gemeinsamen Verständnis von Citizen Science und der Bildung einer Citizen Science-Gemeinschaft dienlich sind, so verstehen sich nicht alle Projekte, die eigentlich diese Kriterien erfüllen, als „Citizen Science". Umgekehrt ist es auch nicht für alle Projekte, die sich als Citizen Science begreifen, wichtig auf einer Projektplattform gelistet zu sein.
Damit prägen Citizen Science-Projektplattformen die Citizen Science-Landschaft und die Wahrnehmung dessen, was Citizen Science ist (und was nicht). Die Gründe dafür sind vielfältig.
Einerseits kann dies an der relativ neuen Benennung „Citizen Science" selbst liegen, da darunter meist naturwissenschaftliche Projekte fallen und Wissenschaftlichkeit Voraussetzung ist. Dieser wissenschaftliche Anspruch könnte abschreckend wirken. Andererseits gibt es Ansätze, wie z.B. „partizipative Forschung", die zwar Ähnlichkeit mit Citizen Science haben, aber deren Abgrenzung zu bzw. Überschneidung mit Citizen Science noch diskutiert wird.
Außerdem sind Citizen Science-Projektplattformen vor allem für jene wissenschaftlichen Unternehmungen interessant, die viele kleine Beiträge von einer Vielzahl Teilnehmer*innen benötigen, um z.B. große Datenmengen zu sammeln oder zu analysieren. Um dieses Crowdsourcing zu betreiben, können Teilnehmer*innen über Projektplattformen gewonnen werden. Allerdings bedeutet dies auch, dass für andere Formen der Beteiligung und Vorhaben mit (gezielt) ausgewählten Teilnehmer*innen Projektplattformen prinzipiell weniger interessant (für die Gewinnung von Freiwilligen) sind.
Citizen Science-Projektplattformen leisten damit einen wesentlichen Beitrag dazu, was als Citizen Science wahrgenommen wird. Das liegt unter anderem an der Art der präsentierten Projekte, die als repräsentativ für die Citizen Science-Landschaft empfunden werden könnten. Das reicht von den auf der Plattform vertretenen Disziplinen über die (institutionelle) Zugehörigkeit der Projektleiter*innen bis hin zu den Formen der Beteiligung im Projekt, also den Aufgaben und der Mitsprache der Teilnehmer*innen im wissenschaftlichen Projekt. Im Allgemeinen decken deutschsprachige Plattformen hier eine größere Bandbreite ab als englischsprachige. Citizen Science-Projektplattformen sorgen damit für die Gestaltung und Ausprägung der Citizen Science-Landschaft.
Die gesamte Studie „Vorherrschende Wissenschaftszweige auf deutsch- und englischsprachigen Citizen Science-Projektplattformen" ist im Tagungsband des Forum Citizen Science 2019 nachzulesen:
Heinisch, Barbara (2019). Vorherrschende Wissenschaftszweige auf deutsch- und englischsprachigen Citizen Science-Projektplattformen. In D. Nüst, T. Bartoschek, & M. Pesch (Hrsg.), Forum Citizen Science 2019: Die Zukunft der Bürgerforschung. 26. und 27. September 2019, WWU Münster (S. 40–52). Open Science Framework. https://doi.org/10.17605/OSF.IO/67WXN
Danke für den Blogpost und den Hinweis auf den interessanten Tagungsbeitrag! Bei uns auf der deutschen Citizen-Science-Plattform Bürger schaffen Wissen ist es auch so, dass für die Aufnahme von Projekten in die Liste der Citizen-Science-Projekte aus vielfältigen Gründen einige Kriterien erfüllt werden müssen. Da wir uns der im Blogartikel angesprochenen Thematik bewusst sind, versuchen wir in anderen Formaten und Aktivitäten der Plattform eine etwas breitere Perspektive zum Thema Citizen Science aufzuzeigen. Bei unserer Darstellung von Projekten zum Thema Corona zum Beispiel haben wir auch Projekte vorgestellt, die nicht den sonst angewandten Kriterien zu Citizen Science für unsere Plattform entsprechen. Wir informieren über den aktuellen Diskurs zu Definitionen oder Merkmalen von Citizen Science. Zudem bieten unsere AGs Gelegenheit zu Austausch und Vernetzung für verschiedenste Akteure auf regionaler oder lokaler Ebene, zum Beispiel in der AG Berliner Raum. Auch bei der Auswahl der Partner für unsere Trainingsworkshops haben wir verschiedene Ansätze und Verortungen berücksichtigt. Wir denken, dass solche Maßnahmen dazu beitragen können ein breiteres Bild von Möglichkeiten zum Mitforschen auf Citizen Science-Plattformen darzustellen. Habt ihr noch andere Ideen?
Beste Grüße aus Berlin!
Julia von Bürger schaffen Wissen
Vielen Dank für deine Beschreibungen, wie ihr damit auf Bürgerschaffenwissen umgeht. Die Thematik ist wirklich sehr spannend und auch nicht einfach. Die Entscheidung, Kriterien für unsere Plattform einzuführen, war nicht einfach, daher auch unsere Herangehensweise, den Prozess so inklusiv wie möglich zu gestalten: https://www.citizen-science.at/blog/qualitaetskriterien-fuer-oesterreich-forscht-ein-rueck-und-ausblick
Es freut uns auch sehr, dass wir bisher sehr gut mit Bürgerschaffenwissen zusammengearbeitet haben und einer deiner Kollegen auch Co-Autoren des Qualitätskriterienkatalogs ist.
Wie man noch ein breiteres Bild des Mitforschens aufzeigen kann? Wir hoffen sehr, dass dieser Blog und der Austausch über die Kommentarfunktion es ermöglicht, spannende und inklusive Diskussionen nicht nur unter Wissenschafterl*innen sondern auch mit Personen außerhalb des Wissenschaftsbereiches zu führen und so Citizen Science noch stärker in der Gesellschaft zu verankern.
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