Mit dem Ziel Wirkung durch Mitwirkung zu erhöhen, wurde das diesjährige Forum für Citizen Science in Hamburg unter dem Motto „Mit:Wirkung" einberufen. Da durfte ich selbstverständlich nicht fehlen 😉. In verschiedensten Formaten tauchte ich tiefer in Citizen Science ein, lernte spannende innovative Methoden und neue Möglichkeiten des „Mit:Wirkens" kennen.
Ein für mich neues partizipatives Format waren „Stadtteillabore", die auch im Eröffnungsvortrag von Wissenschafter*innen, Stadtteilbewohner*innen und Praxisträger*innen gemeinsam vorgestellt wurden. Das Besondere an diesen Laboren ist deren Wirkungsorientierung: dass die Bewohner*innen am Forschungsdesign beteiligt werden und Forschung zum Zwecke der gesellschaftlichen Veränderung durchgeführt wird. Forschung „mit (gesellschaftlicher) Wirkung" also.
Eine weitere Wirkung, die Citizen Science entfaltet, ist, dass sich die beteiligten Akteur*innen durch die Zusammenarbeit selbst verändern. Während wir mit „beteiligte Akteur*innen" häufig die Citizen Scientists meinen, so verändern sich auch die Wissenschafter*innen selbst durch Citizen Science-Projekte, indem sie in neue Perspektiven und Erfahrungswelten eintauchen.
Damit nicht genug: Citizen Science fordert bestehende Strukturen (der Wissensproduktion) heraus und schafft neue Wissensformen und Forschungspraktiken. Citizen Science wirkt auf Gesellschaft durch selbstermächtigende Erfahrungsräume, durch die Stärkung marginalisierter Stimmen und gemeinsame Intervention und Entwicklung. Damit gibt „Forschung Hoffnung auf Veränderung". Damit das gelingt, müssen sich Unis für neue Kooperationen mit der Praxis öffnen, Verwaltungsvorgaben von Hochschulen gelockert und Forschungsförderung flexibler werden: So der Kern des Eröffnungsvortrags.
Durch den Fokus auf „Wirkung" fiel auch das Wort „Aktivismus" wiederholt im Laufe der Konferenz. Einerseits bezog sich Aktivismus darauf, dass Citizen Science eine Art zu Forschen ist, um in Gesellschaften hineinzuwirken und diese (zum Positiven) zu verändern. Andererseits ist damit gemeint, dass Universitäten, und deren Forscher*innen gesellschaftliche Verantwortung übernehmen sollen, um Ungleichheit zu verringern und Demokratie zu fördern. Damit eröffnet sich die Rolle von Wissenschafter*innen als „scholarly activists".
Die Wirkung eines Citizen Science-Projekts darzustellen, zu kommunizieren und zu evaluieren, ist oftmals eine Herausforderung. In Projektanträgen spucken wir Wissenschafter*innen oftmals große Töne:
Diese Versprechungen strotzen nur so vor Buzzwords: „Diversität", „Empowerment", „Nachhaltigkeit", „breite Gesellschaft". Das Tolle an diesen Buzzwords ist, dass sie positiv konnotiert sind. Da sie gleichzeitig vage genug sind und klug genug klingen, werden sie nicht hinterfragt. So können wir uns hinter diesen Buzzwords verstecken ohne aber eine konkrete und greifbare Wirkung unseres Projekts kommunizieren, geschweige denn, beweisen zu können.
Um diesem Manko in der Kommunikation zu begegnen, stellten Alessandro Rearte und Melanie Brand von der Universität Zürich in ihrem Workshop „Wirkung überzeugend sichtbar machen" eine Vorlage für Wirkungsnarrative vor. Damit kann die Wirkung von Citizen Science-Projekten auf tatsächlich greifbare und messbare Elemente und auf unterschiedliche Einflusssphären heruntergebrochen werden.
Die Vorlage für Wirkungsnarrative kann ich euch wärmstens ans Herz legen, um die Wirkung eures Citizen Science-Projekts darzustellen, egal, ob ihr Inspiration während des Projekts oder eine Stütze für die Evaluation benötigt.
Am ersten Konferenztag war auch gleich unser (Daniel Dörlers und mein) „großer" Auftritt, in dem wir eine Umfrage zur Bekanntheit von Citizen Science in Österreich in unterschiedlichen demografischen Gruppen vorstellten. Der Anlass für die repräsentative Studie war, dass wir zwar halbwegs über die Mitwirkenden (=Citizen Scientists) an Citizen Science-Projekten Bescheid wissen, aber keine Informationen darüber haben, warum diese Personen eigentlich an Projekten mitarbeiten. Noch viel spannender ist eigentlich, welche Personengruppen gar nicht an Citizen Science-Projekten teilnehmen und warum nicht. Die präsentierte Umfrage zeigte, dass viele Befragten Citizen Science als „langweilig" empfinden bzw. dafür „keine Zeit" haben. Stay tuned!: Alle Ergebnisse könnt ihr bald in der Studie von Daniel Dörler1, Gabriele Reithner2, Clemens Posselt2, Barbara Heinisch1 und Florian Heigl1von der 1) BOKU University und 2) dem Gallup-Institut Österreich nachlesen.
Mit ähnlichen Fragen beschäftigte sich z.B. auch das Museum für Naturkunde in Berlin, wo die „Black Box Bürger" genauer unter die Lupe genommen wurde, in dem der Bekanntheitsgrad von Citizen Science unter Museumsbesucher*innen erhoben wurde … der, wie sich herausgestellte, relativ gering war.
Diese Frage wurde zwar nicht direkt im Forum Citizen Science 2024 behandelt, aber die Schnittstellen zwischen Citizen Science und transdisziplinärer Forschung beschäftigen mich selbst in Theorie und Praxis. Jedenfalls lässt sich sagen (bestätigt von Martina Schaefer in ihrem Vortrag „Wirkungen partizipativer Forschungsformate"), dass die Bedeutung von Wirkungsorientierung in beiden Bereichen zunimmt. Als Gründe dafür nannte sie, dass Forschende wissen möchten, ob sie (überhaupt) Wirkung erzielen oder die Qualität ihrer Forschung verbessern wollen. Auch die Anerkennung dieses Forschungstyps (=partizipative Ansätze) zu steigern oder den Nachweis von gesellschaftlichem Nutzen und wissenschaftlichem Mehrwert von Forschung(-sansätzen) zu erbringen, sind Gründe, warum „Wirkung" ein Thema mit zunehmender Bedeutung in Citizen Science ist.
Dabei definierte die Vortragende „Wirkung" als mittel-, kurz- und langfristige Veränderungen in Wissenschaft und Gesellschaft, die (in)direkt mit Aktivitäten von transdisziplinärer und partizipativer Forschung in Verbindung gebracht werden können. Wirkungen enstehen dabei durch die Art des Forschungsprozesses, z.B. durch die Interaktion zwischen Wissenschaft und Praxis und die Umsetzung bzw. den Transfer der erzielten Ergebnisse. Der Sukkus des Vortrags war, dass sowohl transdisziplinäre als auch partizipative Forschung, den Anspruch haben, durch den Einbezug von lebensweltlichen Akteur*innen einen Beitrag zur Wissensgenerierung für die Lösung komplexer lebensweltlicher Probleme zu leisten.
Anhand eines Beispiels eines Community-based Research-Projekts zwischen Lehrenden, Studierenden und Bürger*innen legte Kai-Uwe Schnapp dar, wie wichtig es ist, Rollen bereits zu Beginn eines Citizen Science-Projekts klar festzulegen. Dadurch, dass die Teilnehmenden in einem Projekt den Grad an Aktivität bzw. Passivität und das Ausmaß ihres Beitrags zum Projekt kennen, kommt es zu einem besseren Erwartungsmanagement. Bei den Rollen wird anhand des Verhältnisses (z.B. distanziert, teildistanziert oder involviert) und dem Beitrag zum Forschungsprojekt unterschieden: So reichen die Rollen von „der Stichwortgeber*in", also eine Person, die Thema und Richtung des Projekts vorgibt, aber selten für ein Gespräch zur Verfügung steht bis hin zur „Mitforschenden", die eng mit den Wissenschafter*innen kooperiert und äußerst involviert selbst Forschungsaufgaben übernimmt.
Da auch in meinen Citizen Science-Projekten unterschiedliche Erwartungen immer wieder zu Herausforderungen geführt haben, kann mir dieses Modell in Zukunft dabei helfen, nicht alle Teilnehmenden und ihre Erwartungen über einen Kamm zu scheren und die Mitwirkenden anhand dieser Rollen selbst in einer frühen Projektphase bereits entscheiden zu lassen, inwieweit sie in das Projekt involviert sein wollen.
Am zweiten Konferenztag starteten die Arbeitsgruppen durch. Nicht nur dem schlechten Wetter 😉, sondern auch dem guten Ruf, der der länderübergreifenden AG vorauseilt, geschuldet, beschloss ich einmal in die D-A-CH-Arbeitsgruppe hineinzuschnuppern. Der Schwerpunkt der Arbeitsgruppensitzung lag auf der gemeinsamen Webinarreihe zum Thema Open Science, deren Erkenntnisse in eine Handreichung münden sollen. Das zweite zentrale Thema auf der Tagesordnung war die Schweizer Citizen Science-Konferenz CitSciHelvetica 2025, die am 5. und 6. Juni 2025 in Lausanne stattfinden wird.
Ein intensives Format waren die Short Stories: Hier stellten die Präsentierenden in 3 Minuten ihre Themen vor, um danach mit einer kleinen Gruppe an Interessierten weiterzudiskutieren. Mit fast 20 Short Stories waren die anderthalb Stunden schnell um. Besonders spannend waren die "schlimmsten Fehler" als Citizen Science-Projektleiter (dazu gibt es auch Beispiele aus Österreich), die Möglichkeiten, Menschen mit Behinderung Teilhabe an Citizen Science zu ermöglichen, sowie das Erlernen der Gebärde für „Partizipation". Gelächter löste die Erkenntnis aus, dass „man nur solange ‚was mit Menschen' machen will, bis man was mit Menschen macht".
Den Abschluss bildete der Vortrag „Ausweg aus der Bubble? Citizen Science als hoffnungsvoller Innovationstreiber" von Marina Beermann, die anhand der Trias „Bubble", „Hoffnung" und „Innovation" zeigte, wie wir Menschen zusammenbringen können, die sonst keinerlei Berührungspunkte haben und wie durch einen bunten Mix an Akteur*innen etwas Neues entstehen kann. Dabei steht für sie „Befähigung durch Resilienz" und die Stärkung der Gesellschaft im Umgang mit Krisen und Veränderungen im Vordergrund. Die transformative Wirkung von Forschung besteht dabei im Prozess des Forschens (z.B. wie Menschen in Kontakt treten) und durch neue Verfahren und Sichtweisen, von denen Teilnehmende sowohl irritiert als auch inspiriert werden. Durch Citizen Science kann auch die Anschlussfähigkeit an die gesellschaftliche Wahrnehmung und die Offenheit gegenüber Wissensträger*innen gewährleistet werden. Damit blieb die Frage offen: Welche Modi der Mitwirkung sind künftig denkbar und möglich?
Liebe Eva, es freut mich sehr, dass dir unser Blog gefällt. Darf ich fragen, ob du den Screenreader selbst benutzt und falls ja, ob wir etwas daran verbessern müssen/sollen? Ich würde mich über deine Antwort entweder hier direkt oder auch unter office@citizen-science.at freuen.
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