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Verschieben sich, aufgrund der wärmeren Temperaturen in den Frühlingsmonaten, die Spitzenwerte bei den Meldungen überfahrener Tiere?

Verschieben sich, aufgrund der wärmeren Temperaturen in den Frühlingsmonaten, die Spitzenwerte bei den Meldungen überfahrener Tiere? Simon Berger Pexels Lizenz (https://www.pexels.com/de-de/foto/nahaufnahmefoto-eines-bettes-der-weissen-blumen-953241/)

Im Projekt Roadkill gibt es jedes Jahr die Möglichkeit eigene Forschungsfragen einzusenden. Einmal pro Jahr wird in der Community darüber abgestimmt, welche der eingesandten Forschungsfragen im Projekt weiter verfolgt werden soll.

Im Jahr 2022 bekam die Frage "Verschieben sich, aufgrund der wärmeren Temperaturen in den Frühlingsmonaten, die Spitzenwerte bei den Meldungen überfahrener Tiere?" die meisten Stimmen.

Sieht man sich die Roadkillmeldungen der vergangenen 10 Jahre an (Abbildung 1), sieht man recht deutlich, dass sich die Spitzenwerte im Frühling nicht verschieben, aber immer innerhalb weniger Kalenderwochen liegen. Ausnahmen davon sind die Jahre 2020 und 2021, wo aufgrund der Corona-Lockdowns die Datenerhebung tw. ausgesetzt werden musste. 

Abbildung 1: Anzahl der Roadkill Meldungen pro Kalenderwoche. Für jedes Jahr sind die Kalenderwochen mit den meisten Meldungen hervorgehoben.

Die Auswirkungen des ersten Lockdowns haben wir in einer eigenen Publikation untersucht und im Blogbeitrag "Rückgang der Roadkillmeldungen während des ersten COVID-19-Lockdowns" beschrieben.

Die Konzentration der Spitzenwerte auf wenige Wochen im Jahr ist vor allem auf die Amphibienwanderung im Frühling zurückzuführen. Die Spitzen sind immer mit Erdkrötenmeldungen entstanden. Wie Sie wissen, werden Erdkröten meist während ihrer Wanderung vom Winterquartier in ihr Laichgebiet, die im Frühjahr stattfindet, auf Straßen getötet. Die Erdkröte ist die Amphibienart mit der größten Population in Österreich und ist fast überall zu finden. Erdkröten sind nachtaktiv, das heißt, sie jagen vor allem nachts nach wirbellosen Tieren. Normalerweise sind sie Einzelgänger, aber während der Laichzeit ziehen sie in Massen zu den Teichen. Dies ist der Grund, warum in den Frühlingsmonaten die Zahl der gemeldeten Erdkröten so hoch ist. Den Start der Amphibienwanderung haben wir uns in einer eigenen Studie gemeinsam mit der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (jetzt Geosphere Austria), dem Naturschutzbund Österreich und dem Naturhistorischen Museum Wien angesehen. Hier setzten wir uns das Ziel, den Beginn der Amphibienwanderungen besser vorherzusagen. Die Analyse von über 11 500 Beobachtungen über 18 Jahre zeigte, dass die Blühzeitpunkte von Marille und Salweide die Amphibienwanderung gut vorhersagen und damit den Startschuss für Schutzmaßnahmen geben können. Die Zusammenfassung der Studie haben wir im Blogbeitrag "Frösche wandern zur Marillenblüte" veröffentlicht.

Möchte man die Frage konkreter beantworten und wissen, ob es durch den Klimawandel zur Verschiebung des Wanderverhaltens von Tieren kommt und sich dadurch die Roadkillwahrscheinlichkeit im Frühling verändert, dann wird es leider schwieriger, da es dazu, aufgrund der fehlenden Daten zu Roadkills, kaum Untersuchungen gibt. 

Was man derzeit weiß ist, dass der Klimawandel erhebliche Auswirkungen auf das Migrationsverhalten von Tieren in Mitteleuropa hat. Studien zeigen, dass wärmere und trockenere Bedingungen für viele Arten, insbesondere Vögel, zu einer Verschlechterung der Lebensräume führen, während sich die Bedingungen für Reptilien möglicherweise verbessern (Bartholy et al., 2012). Das Zugverhalten von Vögeln ändert sich, wobei einige Arten zunehmend in der Nähe von Brutgebieten überwintern und im Frühjahr früher ankommen (Bókony et al., 2019; Podhrázský et al., 2017). Bei Graugänsen wurde beispielsweise über 60 Jahre hinweg eine Abnahme der Zugdistanz und eine frühere Ankunft im Frühjahr beobachtet, was mit milderen Wintern korreliert (Podhrázský et al., 2017).

Auch für Amphibien im Speziellen sind die Auswirkungen des Klimawandels auf das Wanderverhalten nicht zu verallgemeinern. Aktuelle Studien haben die Auswirkungen des Klimawandels auf die Brutphänologie und Verbreitung von Amphibien untersucht. Einige Arten zeigen bei höheren Temperaturen frühere Wanderungen (Dervo et al., 2016), während andere aufgrund komplexer Wechselwirkungen zwischen Temperatur und Niederschlag verzögerte Wanderungen aufweisen (Dalpasso et al., 2023). Die Wanderung von Amphibien ist stark von Umweltfaktoren abhängig, wobei die Arten oft spezifische Temperatur- und Niederschlagsbedingungen für ihre Wanderung benötigen (Brooks et al., 2019). Prognosen zufolge wird der Klimawandel die Verbreitung von Amphibien in Europa erheblich beeinflussen, wobei viele Arten möglicherweise geeignete Lebensräume verlieren werden (Araújo et al., 2006). Die Reaktionen variieren je nach Art, wobei einige von wärmeren Temperaturen durch eine erhöhte Überlebensrate von Jungtieren profitieren (Dervo et al., 2016). Verschiebungen in der Phänologie können jedoch negative Auswirkungen auf die Fitness von Amphibien haben (Dalpasso et al., 2023).

Die Auswirkungen des Klimawandels auf die Überwinterung von Säugetieren wurden unter anderem in zwei Veröffentlichungen zusammengefasst.  Rachel Findlay-Robinson und Kolleg*innen haben sich 2023 die Auswirkungen des Klimawandels auf die Lebensgeschichte von überwinternden Säugetieren angesehen und dabei festgestellt, dass in den meisten Studien und bei den meisten Arten eine höhere Lufttemperatur zu einem früheren Erwachen, einer größeren Wurfgröße und einer höheren Anzahl von Aufwachphasen während des Winterschlafs führte.  Die Zusammenhänge zwischen klimatischen Variablen und lebensgeschichtlichen Merkmalen unterschieden sich oft zwischen den Arten, und es traten sowohl artspezifische als auch geschlechtsspezifische Variationen in den Reaktionen auf klimatische Variablen auf. Ein Jahr davor haben sich auch Caitlin P. Wells und Kolleginnen 2022 die Frage gestellt, wie sich der Klimawandel auf die Lebensgeschichte überwinternder Säugetiere auswirkt und haben dazu verschiedenste Studien zusammengefasst. Sie kamen zu ähnlichen Ergebnissen und schlussfolgerten, dass phänologische Verschiebungen eine der offensichtlichsten Folgen des Klimawandels darstellen, doch das Timing von Lebensgeschichte-Ereignissen (z.B. Zeitpunkt der Wanderung, Fortpflanzung, Winterschlaf) schlecht verstanden bleibt.

Sie sehen also, die Frage aus der Community ist absolut am Puls der Zeit und noch nicht ausreichend untersucht. Durch ihre Datensammlung im Projekt Roadkill ist es jedoch in Zukunft möglich solche Fragestellungen zu bearbeiten, denn ohne solche Daten wird die Wissenschaft keine Grundlage für Analysen haben. Wie wichtig die Daten von Citizen Scientists zu diesem Thema sind, hat sich bereits in der Studie zu Amphibienwanderungen gezeigt. Denn die einzigen Daten die zu Amphibienwanderungen und Blühzeitpunkten vorhanden waren, wurden von Citizen Scientists gesammelt.

Daher, auch wenn es derzeit noch nicht möglich ist, die Frage aus der Community im Detail zu beantworten, möchten wir uns ganz herzlich für Ihre Zeit im Projekt bedanken. Denn nur durch Ihre Mitarbeit ist die Datensammlung zu Roadkills möglich und können zahlreiche wissenschaftliche Fragestellungen jetzt und in der Zukunft beantwortet werden.

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