mohamed Hassan, Pixabay Lizenz (https://pixabay.com/de/illustrations/pr%c3%bcfung-pr%c3%bcfbericht-%c3%bcberpr%c3%bcfung-4576720/) Über die Qualitätskriterien für Citizen Science-Projekte auf Österreich forscht haben wir bereits ausführlich berichtet. Wir haben die Kriterien selbst und auch die internationalen Reaktionen darauf in eigenen Blogbeiträgen auf Österreich forscht beschrieben und auf der Seite der Arbeitsgruppe für Qualitätskriterien sämtliche Publikationen dazu aufgelistet. Über eine weitere Entwicklung möchten wir nun hier berichten, nämlich eine Wiederholung dieses Kriterienprozesses auf europäischer Ebene in der Arbeitsgruppe Citizen Science Networks der European Citizen Science Association (ECSA), die wir leiten dürfen.
Gegründet wurde die ECSA-Arbeitsgruppe bereits im April 2019 in Brüssel, und sie setzt sich aus Koordinator*innen verschiedenster Citizen Science-Plattformen ähnlich wie Österreich forscht zusammen. Vertreten sind etwa Personen aus Belgien, den Niederlanden, Schweden, Dänemark, Deutschland und der Schweiz. Sie alle sind zusammengekommen und haben in den letzten 3 Jahren intensiv daran gearbeitet, Kriterien zu entwickeln, mit denen sie entscheiden können, welche Projekte auf ihren jeweiligen Plattformen gelistet werden. Die Gründe dafür sind einerseits die Transparenz gegenüber Forschenden und Citizen Scientists, damit klar ersichtlich ist, warum bestimmte Projekte auf den Plattformen gelistet werden und warum manche nicht gelistet werden, und andererseits auch die Verantwortung, die die Plattformkoordinator*innen gegenüber den Citizen Scientists verspüren. Sie fragen sich jetzt vielleicht, warum nicht jedes Land für sich eigene Kriterien entwickelt. Citizen Science wird wie beschrieben in mehreren europäischen Ländern durchgeführt und auch grenzüberschreitende Projekte sind keine Seltenheit. Damit nun keine Widersprüche zwischen den Plattformen in den einzelnen Ländern entstehen haben die Plattformkoordinator*innen sich darauf verständigt, die Kriterien gemeinsam zu entwickeln. So können Projekte ohne großen Aufwand auf mehreren Plattformen gleichzeitig gelistet werden.
Wie schauen diese Kriterien nun aus und was geschieht nun mit den österreichischen Kriterien, die ja vorher schon entwickelt wurden? Gelten diese dann nicht mehr oder müssen sich die Projekte den neuen Kriterien anpassen? Gleich zur Beruhigung: die österreichischen Kriterien gelten weiterhin und die Projekte müssen den Qualitätskriterienprozess nicht erneut durchlaufen. Der Grund dafür ist, dass die neuen, internationalen Kriterien den österreichischen Kriterien erstaunlich ähnlich sind. Das ist keine Selbstverständlichkeit, aber es zeigt uns, dass wir mit den österreichischen Kriterien bereits die wichtigsten Aspekte von Citizen Science abgedeckt hatten und der Entwicklungsprozess in Österreich viele kritische Punkte bereits berücksichtigt hat. Doch möchten wir Sie jetzt nicht weiter auf die Folter spannen, sondern Ihnen die international entwickelten Kriterien gleich präsentieren. Wenn Sie auf eines der Kriterien klicken, öffnet sich eine genauere Beschreibung:
1. Das Citizen-Science-Projekt verwendet Forschungsmethoden, -techniken und/oder -werkzeuge, die gegebenenfalls eine Datenvalidierung und -verifizierung beinhalten können.
Dieses Kriterium unterstreicht, dass es sich bei Citizen-Science-Projekten um Forschungsvorhaben handelt, und als solches sollten diese entweder anerkannte Methoden innerhalb der Disziplin verwenden, um das Projektziel zu erreichen, oder neue Methoden entwickeln, die verständlich und transparent sind. Idealerweise werden diese Informationen in einem Forschungsplan dokumentiert, der aus einem Forschungsziel (z.B. Hypothese, Ziel, Forschungsfrage) und dem Forschungsdesign (Methoden, die zur Erreichung des Forschungsziels verwendet werden, d.h. welche Art von Daten wie gesammelt werden) besteht. Bei vielen Citizen-Science-Projekten wird es wahrscheinlich notwendig sein, auch eine Art von Datenvalidierung und/oder Verifizierungsmethoden einzubeziehen, was höchstwahrscheinlich von der Beteiligung der Citizen Scientists abhängt. Wir sind uns bewusst, dass es viele verschiedene Ansätze bei der Durchführung von Forschung gibt. In einigen Disziplinen ist es vielleicht nicht üblich, einen Forschungsplan zu haben, in anderen ist ein sehr detaillierter Forschungsplan Teil eines jeden Projekts. Daher konzentriert sich dieses Kriterium nur auf die grundlegendsten Elemente eines solchen Forschungsplans.
2. Das Citizen-Science-Projekt zielt darauf ab, Daten und Metadaten öffentlich zugänglich zu machen und, wenn möglich, die Ergebnisse in einem Open-Access-Format zu veröffentlichen (d. h. so offen wie möglich, so geschlossen wie nötig). Die gemeinsame Nutzung von Daten kann während oder nach dem Projekt erfolgen, es sei denn, es bestehen Sicherheits-, Datenschutz- oder ethische Bedenken, die dies verhindern.
Dieses Kriterium konzentriert sich auf die Daten, Metadaten und Ergebnisse, die im Rahmen eines Citizen-Science-Projekts erzeugt werden. Da die Daten von oder mit Citizen Scientists produziert werden, kann man argumentieren, dass sie auch der Öffentlichkeit gehören, solange keine rechtlichen oder ethischen Argumente gegen ihre Veröffentlichung sprechen. Solche Argumente können Fragen des Datenschutzes (z. B. persönliche Adressen von Citizen Scientists) oder ethische/rechtliche Fragen (z. B. der Aufenthaltsort von gefährdeten Arten) sein. Manchmal muss ein Teil der Daten/Metadaten oder Ergebnisse geheim gehalten werden, während ein anderer Teil offen zugänglich sein könnte ("so offen wie möglich, so geschlossen wie nötig"). Daher sollten Citizen-Science-Daten den Grundsätzen von FAIR data entsprechen (https://www.go-fair.org/fair-principles/). Die Allgemeine Datenschutzverordnung (GDPR) in Europa gibt vor, wie mit personenbezogenen Daten zu verfahren ist.
Es gibt mehrere Repositorien, in denen Daten/Metadaten/Ergebnisse veröffentlicht werden können. Ein bekanntes Beispiel ist Zenodo, wo Sie einen DOI (Digital Object Identifier) für Ihre Daten/Metadaten/Ergebnisse erhalten, so dass andere Personen sie leicht nutzen und darauf verweisen können. Wenn möglich, sollte eine Open-Access-Veröffentlichung der Ergebnisse bevorzugt werden, um die Ergebnisse der Öffentlichkeit einfach zugänglich zu machen.
3. Das Citizen-Science-Projekt hat das Ziel, neue forschungsbasierte Erkenntnisse zu gewinnen.
Dieses Kriterium soll betonen, dass jedes Citizen-Science-Projekt die Absicht haben muss, zur Forschung beizutragen, d.h. neues Wissen zu schaffen oder bestehendes Wissen zu verifizieren, um das Projekt von anderen partizipativen Aktivitäten zu unterscheiden. Natürlich können auch andere Ziele verfolgt werden (z. B. Bewusstseinsbildung, Naturschutz, Schulung der Teilnehmer), aber es muss ein Beitrag zur Forschung geleistet werden. Ein solches Ziel könnte die Beantwortung oder Definition einer Forschungsfrage oder einer Hypothese sein, aber auch der Aufbau einer Forschungsinfrastruktur (z. B. eine Datenbank über das Vorkommen und die Verbreitung von Tierarten, historische Archive; ein neuer Sensor zur Erfassung von z. B. Lärm).
4. Das Citizen-Science-Projekt hat die Absicht, Mitglieder der Öffentlichkeit sinnvoll und aktiv in den Forschungsprozess einzubeziehen und nicht ausschließlich als Forschungsobjekt.
Dieses Kriterium bezieht sich auf die aktive Beteiligung von Citizen Scientists. Sie sollten in mindestens einer Phase des Forschungsprozesses aktiv beteiligt sein, können aber natürlich auch in mehreren oder allen Phasen beteiligt sein. Die Forschungsphasen können von Disziplin zu Disziplin variieren, aber in den meisten Fällen handelt es sich um die Identifizierung von Forschungsfragen, Projektdesign, -entwicklung oder -implementierung, Datensammlung, -kategorisierung, -transkription, -analyse oder -interpretation, das Verfassen von Publikationen sowie die Nutzung der Ergebnisse (diese Liste ist nicht vollständig). "Aktive Beteiligung" bedeutet, dass die Citizen Scientists einen aktiven Beitrag zur Forschung leisten und nicht (nur) die Forschungsobjekte sind. Sie können aber natürlich aktiv zur Forschung beitragen (z. B. durch das Sammeln von Daten über das Vorkommen von Tierarten) und gleichzeitig Gegenstand einer Umfrage sein, in der nach ihrer Motivation zur Teilnahme gefragt wird. Würden sie ausschließlich mittels einer Befragung (entweder durch persönliche Interviews oder durch eine Umfrage) in ein Projekt einbezogen werden, wäre dies nicht als Citizen Science zu bezeichnen.
Darüber hinaus können die Initiator*innen des Citizen-Science-Projekts ihre Kommunikation in einer speziellen Kommunikationsstrategie organisieren, in der eine Reihe von wichtigen Aspekten berücksichtigt werden, z. B. das Zielpublikum, Transparenz und ethische Überlegungen, Rekrutierung, Motivation der Teilnehmer, Maßnahmen zur Motivierung und Wiedermotivierung, kontinuierliches Feedback, Zeitplan, Budget usw. (Anleitungen zur Erstellung von Kommunikationsstrategien sind bei vielen Stellen zu finden, siehe ergänzende Informationen). Die meisten Projekte haben ein klar definiertes Ziel und damit auch eine oder mehrere Zielgruppen, die sie ansprechen wollen. Vor allem zu Beginn eines Projekts ist es sehr hilfreich, sich darüber im Klaren zu sein, wer meine Zielgruppe ist und wie ich sie erreichen kann (d. h. welche Kommunikationskanäle ich für mein Projekt nutzen sollte). Projektmanager*innen sollten sich Gedanken darüber machen, wer ihre Zielgruppe ist (z. B. Jugendliche), wie sie ihre Zielgruppe erreichen können (z. B. Instagram, Tik Tok) und welche Auswirkungen die Nutzung dieser Kanäle mit sich bringt (z. B. Datenschutzfragen). Ausführliche Leitlinien dazu, woran man bei der Gestaltung der Kommunikation eines Projekts denken sollte, finden Sie auf verschiedenen Websites wie EU-Citizen.Science.
5. Das Citizen-Science-Projekt soll allen Beteiligten zugutekommen, sowohl den Mitgliedern der Öffentlichkeit als auch den Initiator*innen des Projekts und anderen aktiv beteiligten Parteien.
Um eine Zusammenarbeit zwischen Projektleiter*innen und Teilnehmenden auf gleicher Ebene zu ermöglichen, ist es notwendig, einen Raum zu schaffen, in dem alle Beteiligten von der Teilnahme profitieren. Dieser gegenseitige Nutzen/Mehrwert ist sehr projektspezifisch, aber Projektmanager*innen sollten sich dieser Tatsache bewusst sein und in der Lage sein, diesen gegenseitigen Nutzen herauszuarbeiten. Da ein Nutzen/Mehrwert erst bewertet werden kann, nachdem er realisiert wurde, wird bei diesem Kriterium bewertet, ob die Projektmanager*innen die Absicht haben, einen solchen Nutzen/Mehrwert zu schaffen, und nicht, ob er realisiert wurde. Für die Bürger*innen kann ein solcher Nutzen/Mehrwert darin bestehen, neue Fähigkeiten oder Kenntnisse zu erwerben, sich persönlich zu verwirklichen, neue soziale Kontakte zu knüpfen usw. Für die Projektleiter*innen könnte der Nutzen/Mehrwert darin bestehen, dass Forschungsfragen behandelt werden, die sonst nicht beantwortet werden könnten, dass neue Forschungsfragen gefunden werden usw. Finanzielle Belohnungen für die Teilnehmer*innen können ebenfalls als Nutzen/Mehrwert betrachtet werden, sind aber nicht üblich oder notwendig.
6. Das Citizen-Science-Projekt hat klar definierte und kommunizierte Ziele, Aufgaben und Verantwortlichkeiten und ist bestrebt, die Ergebnisse des Projekts transparent zu machen.
Citizen Science ist ein kollaborativer Prozess, bei dem die Interaktion zwischen allen Projektteilnehmenden auf Dialog, gegenseitigem Respekt und Feedback basiert. Ein wichtiger Aspekt für diese Zusammenarbeit auf gleicher Ebene ist die projektinterne Kommunikation während des gesamten Projekts. Die Projektleiter*innen sollten ihre Rolle und Zuständigkeiten innerhalb des Projekts sowie die Rollen und Zuständigkeiten der beteiligten Teilnehmer*innen transparent machen, um Missverständnisse zu vermeiden (z. B. auf der Projektwebsite, durch persönliche Kommunikation bei Treffen). Sie sollten auch für Fragen und Vorschläge der Teilnehmer*innen zur Verfügung stehen, indem sie Kommunikationsmöglichkeiten anbieten (z. B. E-Mail-Adresse, Kontaktformular, Telefonnummer).
7. Das Citizen-Science-Projekt stellt den Teilnehmer*innen alle notwendigen Informationen zu rechtlichen und ethischen Fragen zur Verfügung, die für das Projekt von Bedeutung sind, z. B. Urheberrecht, geistiges Eigentum, Vereinbarungen über die gemeinsame Nutzung von Daten, Vertraulichkeit, Namensnennung (z. B. Nennung der Teilnehmer*innen in Projektergebnissen und Veröffentlichungen) und die Umweltauswirkungen aller Aktivitäten.
Bei der Zusammenarbeit mit Menschen ergeben sich ethische und/oder rechtliche Fragen. Sie sind sehr projektspezifisch, aber die Projektleiter*innen sollten sich dieser Probleme bewusst sein und sie entsprechend angehen. Rechtliche Fragen könnten mit der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) in Europa zusammenhängen (z. B. wenn Sie eine Liste mit E-Mail-Adressen und Namen Ihrer Teilnehmer*innen haben). Ethische Fragen könnten mit dem Forschungsthema zusammenhängen (z. B. die Arbeit mit Minderheiten oder Flüchtlingen). Es gibt mehrere Leitfäden zur Identifizierung solcher rechtlicher oder ethischer Fragen, aber wir möchten betonen, dass sie keine allgemeingültige Antwort geben können und dass es notwendig ist, sich an eine professionelle Rechtshilfe zu wenden, wenn Sie sicher sein wollen, dass solche Fragen angesprochen werden. Koordinator*innen von Citizen-Science-Plattformen und -Portalen können keine rechtliche oder ethische Prüfung durchführen oder Ratschläge in diesen Bereichen erteilen, aber es ist wichtig, dass Projektleiter*innen auf diese Fragen achten.
Was denken Sie?
Nun sind Sie gefragt! Wir möchten wissen, was Sie von den Kriterien halten. Sind Sie ausreichend, gehen Sie zu weit, brauchen sie mehr Erklärungen bzw. Hilfestellungen oder fehlt ein aus Ihrer Sicht wichtiger Aspekt? Schreiben Sie Ihre Gedanken in die Kommentare oder schicken Sie uns eine Mail an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!. Wir sind schon sehr gespannt auf Ihre Anmerkungen!