Von Luca Großegger auf Dienstag, 13. Juli 2021
Kategorie: Literatur

Der Beitrag von Citizen Science zur Schulbildung

Dieser Blogpost basiert auf einer Seminararbeit, die ich im Rahmen der Citizen Science Vortragsreihe schrieb. Diese besuchte ich im Sommersemester 2021 im Zuge meines Studiums an der BOKU. Auf einige dieser Vorträge wird innerhalb des nachfolgenden Textes verwiesen. Wenn sie aufgezeichnet wurden, ist das jeweilige Video auf der "Österreich forscht"-Homepage verlinkt. Diese kann ich ihnen, liebe Leser:innen, sehr ans Herz legen. Nun aber genug der Vorrede. Ich hoffe sie haben Spaß und Interesse an der Auseinandersetzung mit diesem, wie ich finde, spannendem Thema und hoffentlich auch meinem Text dazu. 


Citizen Science existiert in Österreich schon lange (Dörler und Heigl 2019). Mit 'Österreich forscht' wurde jedoch erst kürzlich ein Sammelbecken für Projekte dieser Art geschaffen. All diesen ist gemein, dass sie Laien aktiv in wissenschaftliche Vorgänge involvieren. Dieses Konzept erfreut sich großer Beliebtheit und die Plattform wächst. In Zukunft ist geplant Citizen Science in Österreich weiter zu verbreiten (Dörler und Heigl 2019). Zumindest in Deutschland wurde festgestellt, dass Citizen Science in Schulen ausbaufähig ist (GEWISS 2016). Eine Möglichkeit wäre daher diese Verbindung von Citizen Science und Schulen auszubauen. Dafür müssten solche Kooperationen jedoch nicht nur den Forscher:innen bei ihren Projekten helfen, sondern auch positiv zur Bildung der Schüler:innen beitragen. Daher stellt sich die Frage, welchen Beitrag Citizen Science zur Schulbildung leisten kann.

 Lehrmaterialien

Einerseits können Citizen Science Projekte einen Beitrag zum Lehrplan liefern. Entscheidend für den Unterricht sind die verwendeten Materialien. Citizen Science Projekte stehen oft in Verbindung zu Open Source (Dörler und Heigl 2019). Das heißt, dass im Zuge der Forschung entstandene Dokumente, Hilfsmittel, Anleitungen, etc. frei zugänglich sind und somit von Lehrer:innen verwendet werden dürfen. Thomas Bartoschek und Mario Pesch berichteten in ihrem Vortrag über die von ihnen entwickelte Sensebox. Das ist ein modularer Bausatz, der mit verschiedenen Sensoren ausgestattet werden kann. Je nach verbauten Teilen sind unterschiedliche Messungen möglich. Installation und Programmierung werden von den Nutzer:innen selbst vorgenommen. Dazu wurde ein leichtes Programmiersystem entwickelt, Tutorialvideos aufgenommen und Lehrmaterialien entwickelt. All diese sind Open Source und können für ein Schulprojekt genutzt werden, um eine leichte Handhabung zu ermöglichen. Sie berichteten beispielsweise von einem Projekt im Rahmen des SenseboxEdu Programms, in dem eine Klasse den Wärmeinseleffekt in ihrer Stadt untersuchte. Sie schnallten eine Sensebox mit Wärmemesser auf ihre Fahrräder und fuhren so zu verschiedenen Tageszeiten durch die Stadt. Die gewonnen Daten analysierten sie dann im Unterricht.

Citizen Science stellt jedoch nicht nur Lehrmaterialien bereit. Zudem kann in deren Entwicklung eingegriffen werden. Geier et al. (2020) führten ein Projekt an einer Hochschule durch. Darin sollten Unterlagen zu einem Lernroboter überarbeitet werden. In diesen Prozess wurden Lehrer:innen einbezogen. Dann wurden sie in Schulen eingesetzt mit Reviewverfahren unter den Schüler:innen. Probleme bereitete es, Freiwillige zur aktiven Mitarbeit zu bewegen. Waren sie erst eingebunden, stellte sich der praxisnahe Blick der Lehrpersonen als wichtig heraus. Weiters wurden die Rückmeldungen aus der Einsatzphase positiv hervorgehoben. Außerdem gab es einen Lerneffekt bei den Lehrer:innen durch die Mitarbeit an dem Projekt. Daher kann Citizen Science Lehrpersonen durch die Bereitstellung von Lehrmaterial unterstützen und sie bei deren Erarbeitung einbinden. Dies bedeutet demnach auch eine Verantwortung auf Seiten der Lehrer:innen. Bednarz und Bednarz (2015) plädieren  in diesem Zusammenhang dafür, dass Lehrpersonen den Citizen Science Ansatz annehmen und ihre Fähigkeiten der Wissensvermittlung einbringen.

Workshops

Workshops sind eine weitere Möglichkeit Citizen Science im Unterricht einzubringen. Diese bieten für die Schüler:innen Abwechslung vom Schulalltag. Dies steigert die Motivation und das Interesse der Schüler:innen und hat den Vorteil, dass deren Inhalt nicht an den Lehrplan gebunden ist. Gernot Neuwirth berichtete in seinem Vortrag beispielsweise von Projekten mit Volkschulen im Rahmen von „naturbeobachtung.at". Dabei ging es darum Fotos von Tieren, Pflanzen, etc. zu schießen und mit Standort, Datum und einer versuchten Artbestimmung auf die Website hochzuladen. Diese Einträge werden nachträglich von Expert:innen überprüft. Für die Schüler:innen stellt dies unter anderem eine praktische Einheit in Biologie dar, die im Rahmen des normalen Unterrichts so nicht stattgefunden hätte. Hirschenhauser et al. (2019) untersuchten den Effekt eines außerunterrichtlichen Projekts auf 8-10-jährige Schüler:innen. Die Studie ergab, dass klare Lernfortschritte zu beobachten seien, vor allem auf lange Sicht. Weiters gaben die Kinder vermehrt an, dass Forschung wichtig für unsere Gesellschaft sei.

Motivation von Schüler:innen

Motivation von Schüler:innen kann auch innerhalb des Unterrichts stattfinden. Kelemen-Finan et al. (2018) beschreiben in ihrer Studie ein Biodiversitätsprojekt mit Schulen in Zentraleuropa. Jüngere Schüler:innen bewerteten das Projekt am besten. Sie waren auch am aktivsten und zeigten am meisten Freude. Jedoch machten sie am meisten Fehler. Ältere Schüler:innen hingegen waren kritischer mit ihrer Leistung, obwohl sie mehr Arten richtig bestimmten. Bei allen Teilnehmer:innen konnte ein Lerneffekt und eine Motivationssteigerung beobachtet werden. Kelemen-Finan et al. (2018) plädierten, im Hinblick auf die Fehlerquote bei den Jüngeren, für mehr Unterstützung durch Lehrpersonen und Beachtung der unterschiedlichen Leistungsvermögen von Altersgruppen. Das trägt zur zuvor besprochenen Verantwortung von Lehrperson bei. Denn im Sinne einer gewinnbringenden Kooperation sollten nicht nur die Schüler:innen profitieren, sondern auch die Forscher:innen, in diesem Fall in Form einer hohen Datenqualität.

Ein weiteres Beispiel für Motivation ist die zuvor erwähnte SenseboxEdu. Für Jugendliche sind nämlich neue Technologien attraktiv (Burger 2016). Der Umgang mit der Sensebox ermöglicht so eine neue Art des Lernens und liefert gute Ansatzpunkte für weiterführenden Unterricht. Motivation wirkt sich weiters positiv aus, indem Schüler:innen stärker partizipieren. Denn je stärker sie motiviert sind, desto involvierter und vertiefter sind sie in die Thematik. Dadurch sind sie offener für Wissensaufnahme und ihr Interesse erleichtert das Lernen weiter. Das ist ein wichtiger Faktor für den Grad der Kompetenzvermittlung (Burger 2016).

Scientific Literacy

Andererseits kann Citizen Science einen Beitrag zu Bildungszielen leisten, die über den reinen Lehrplan hinausgehen. Scientific Literacy würde in diese Spate fallen. Die OECD (2019) benutzt dieses Konzept als eine der Schlüsselkompetenzen in den Pisastudien. Sie definiert es als Kenntnisse über Wissenschaft, sowie wissenschaftliche Technologien. Scientific Literacy ermögliche daher Vorgänge wissenschaftlich zu erklären, Forschungen nachzuvollziehen, selbst nachzuforschen und Daten und Hinweise wissenschaftlich zu interpretieren. Unterricht in der Schule wird hingegen oft als Frontalunterricht gehalten. Von Lehrpersonen wird oft beklagt, dass aufgrund des strengen und dichten Lehrplans keine Zeit für etwas anderes sei, als den Stoff „durchzupeitschen". Diese Art des Unterrichts steht jedoch dem Grundgedanken der Forschung entgegen. Laut Bertsch (2016) besteht dieser aus dem Aufstellen von Hypothesen, erarbeiten von Fragen, Recherchearbeit, Versuchsplanung und Durchführung und Diskussion und Interpretation der Daten.

Citizen Science Projekte können diese Kompetenzen vermitteln. In ihrem Vortrag über die „Sensebox" kamen Thomas Bartoschek und Mario Pesch auf die vermittelten Kompetenzen zu sprechen. Die Arbeit mit dem modularen Bausatz ermögliche den Anwender:innen eigenen Fragestellungen nachzugehen und dementsprechend verschiedene Sensoren zu benützen. Der Bausatz muss, wie zuvor beschrieben, selbst programmiert und zusammengebaut werden. Dann erfolgen die Datensammlung und Bearbeitung der Ergebnisse. Der Einsatz von Citizen Science Projekten wie diesem empfiehlt sich daher, um Schüler:innen die wissenschaftliche Arbeitsweise näher zu bringen und mit Technologien vertraut zu machen.

Das Grünbuch für Citzen Science in Deutschland attestierte solchen Projekten zum Verständnis für Wissenschaft, den jeweiligen Forschungsgegenstand, wissenschaftliche Forschungsmethoden und verantwortungsvollem Handeln beizutragen (GEWISS 2016). Richter et al. (2016) kamen in ihrer Arbeit zu dem Schluss, dass Citizen Science die Fähigkeit wissenschaftlich zu Arbeiten fördere und dass diese Kompetenz auf ähnlich gelagerte Fragestellungen übertragen werden kann.

Das Konzept des 'Forschenden Lernens' ist eine Möglichkeit die Vorteile von Citizen Science im Bereich der Scientific Literacy in den Unterricht zu integrieren. Bertsch (2016) plädiert in diesem Zusammenhang dafür, dass von der Volkschule an naturwissenschaftliche Fragen gestellt, Kompetenzerleben und Verständnis für wissenschaftliche Prozesse gefördert und Schüler:innen zum forschen und Fragen stellen motiviert werden sollen. Das Ziel des Forschenden Lernen sei es, Schlüsse aus erhobenen Daten zu ziehen und diese argumentieren zu können. Laut Bednarz und Bednarz (2015) verlangen Citizen Science Projekte den Teilnehmer:innen diese Kompetenzen ab.

Bei der Projektgestaltung ist darauf zu achten, dass die Vermittlung von Scientific Literacy tatsächlich mitgedacht wird. Burger (2016) untersuchte mehrere Citizen Science Projekte. Dabei stellte sich heraus, dass naturwissenschaftliche Projekte oft reine Sensorentätigkeiten von den Teilnehmer:innen verlangten. Sensorentätigkeit meint Handlungen, für die kein Kontextwissen nötig ist und den ausführenden Personen keine Kompetenzen vermittelt werden. Personen werden dabei nur in die Erhebung der Daten eingebunden, nicht aber in die Auswertung und Interpretation bzw. die Aufstellung der Forschungsfrage. Geistes- und sozialwissenschaftliche Projekte hingegen forderten und förderten Analyse-, Kritik- und Problemlösefähigkeiten bei den Teilnehmer:innen (Burger 2016).

Das heißt nicht, dass die Einbindung der Zivilgesellschaft zu Sensortätigkeiten in Citizen Science keinen Platz hat. Projekte wie „NestCams" oder „Wanted- asiatische Mörtelbiene" verlangen beispielsweise von ihren Mithelfer:innen nur das Fotografieren oder Einschätzung der Tätigkeiten eines Tiers in einem Video. In die Projekterstellung oder Interpretation der generierten Daten sind sie nicht eingebunden. Trotzdem haben sie einen wertvollen Beitrag zur Forschung geleistet. Der Unterschied zum Einsatz von Citizen Science in der Schule ist, dass das Projekt, wie zuvor beschrieben, nicht nur den Forscher:innen bei der Datensammlung helfen, sondern auch einen bildenden Aspekt für die Schüler:innen beinhalten sollte. Für den Einsatz in der Schule sind daher reine Sensorentätigkeiten nicht geeignet. Sie müssten mindestens um eine Einbettung in ein größeres Themenfeld und Wissensvermittlung darüber oder um eine Auswertung der Ergebnisse und ziehen von Schlussfolgerungen erweitert werden, um in diesem Text besprochene Werte und Bildungsfunktionen zu erfüllen. In diesem Zusammenhang wird wieder die Verantwortung der Lehrpersonen und auch der Wissenschaftler:innen deutlich. Denn Forscher:innen haben meist keine Ausbildung in Pädagogik, während Lehrpersonen wenig über das präsentierte Themenfeld wissen. Eine gute Zusammenarbeit ist daher wichtig, um die Eignung eines Projektes für die Schule sicherzustellen.

Laut Bertsch (2016) fordert der Lehrplan zwar selbstständig forschenden Unterricht und Lehrbücher führen Experimente an. Diese sind aber auf Hands-on Aspekte limitiert. Das meint Tätigkeiten wie messen, manipulieren, den Versuch aufbauen, etc. Minds-on Aspekte fand er in seiner Forschung hingegen selten. Diese umfassen das Aufstellen von Hypothesen und Forschungsfragen, Argumentation, Diskussion und Interpretation der Messdaten.  Diese Lücke könnte durch gut gestaltete Citizen Science Projekte geschlossen werden.

Sensibilisierung für Umwelt- und Gesellschaftsthemen

Citizen Science Projekte können zur Sensibilisierung für umwelt- und gesellschaftlich relevante Themenfelder beitragen. Die Schule sollte ihren Schüler:innen eine Beschäftigung mit solchen Themen ermöglichen bzw. diese sogar forcieren. Denn gerade das Wissen darüber oder zumindest die Beschäftigung damit machen eine:n mündige:n Bürger:in aus, die sich in die Demokratie einzubringen vermag. Jedoch wird immer wieder Kritik laut, dass solche Themenfelder, wie beispielsweise die Klimakrise oder politische Bildung, im Lehrplan zu kurz kommen. Bednarz und Bednarz (2015) fanden heraus, dass Citizen Science Projekte die Möglichkeit bieten breitere systemische und strukturelle Probleme aufzuzeigen. Im Kontext der Bildung für nachhaltige Entwicklung konnte beispielsweise nachgewiesen werden, dass die Beschäftigung von Schüler:innen mit umweltrelevanten Themenfeldern zur Reflexion des eigenen Handelns führte (Burger 2016; GEWISS 2016). Dies äußere sich in einem bewussteren Umgang mit der Umwelt und einer Förderung kritischer Auseinandersetzung mit ähnlichen Themen.

Die Schulprojekte von „naturbeobachtung.at" können beispielsweise solche Effekte erzielen. Durch den Aufenthalt in der Natur und der Suche und Bestimmung von Tieren, Pflanzen, etc. wird nicht nur Biologiewissen praktisch vermittelt. Schüler:innen können  Achtsamkeit für ihre Umwelt entwickeln und bisherige Handlungsmuster hinterfragen. Weiters bietet sich die Möglichkeit im Rahmen der Bestimmungsübung auf thematisch passende Überthemen wie Biodiversität, Klimakrise, Artensterben, Naturschutz, etc. einzugehen.

Zudem stellt das zuvor beschriebene Wärmeinselprojekt ein weiteres gutes Beispiel dar. Die Vortragenden stellten eine Verbindung zu den Sustainable Development Goals her. Der Wärmeinseleffekt im Kontext der steigenden Hitzeextreme lässt sich den Zielen „Gesundheit und Wohlergehen", „nachhaltige Städte und Gemeinden" und „Maßnahmen zum Klimaschutz" zuordnen. Den Schüler:innen werden auf diese Weise schwer greifbare globale Probleme praktisch erfahrbar gemacht und regen zur Reflexion an. Zudem betrifft sie der Wärmeinseleffekt selbst und könnte sie motivieren, sich in ihrer Stadt zu engagieren, ob durch zivilgesellschaftliches Engagement, Forschung oder politische Aktivität.

Demokratiestärkung

Diese Arten des Engagements können unter das Dach der Partizipation gestellt werden. Sie ist einer der Grundpfeiler der Demokratie. Denn diese lebt von der aktiven (Wahl)Beteiligung, einer starken Zivilgesellschaft und damit einhergehend mündige:n Bürger:innen. Richter et al. (2016) sehen in Citizen Science Projekten die Möglichkeit Menschen und zivilgesellschaftlichen Organisationen an der Forschung demokratisch zu beteiligen. Damit sei sogar ein Beitrag zur gesellschaftlichen Transformation Richtung Nachhaltigkeit möglich. In Schulen ist das nicht anders. Burger (2016) sieht die Beteiligung von Schüler:innen sogar in einer entscheidenden Rolle für eine starke und lebendige Demokratie. Die Politik habe daran Interesse, um Akzeptanz und Langlebigkeit von politischen Entscheidungen auf allen Ebenen – von der Gemeinde bis zur Weltbevölkerung – sicherzustellen.

Citizen Science Projekte fördern für Partizipation essenzielle Kompetenzen wie Meinungsbildung und Handlungsfähigkeit, indem sie Leute mit themenübergreifenden Forschungszielen konfrontiert und sie in die aktive Gestaltung der Experimente oder Recherche miteinbezieht. Diese Fähigkeiten werden von 16-jährigen an der Wahlurne erwartet. Diese Herabsetzung des Mindestwahlalters auf 16 Jahre in Österreich kann als Bestätigung von Burgers (2016) Schlussfolgerung der Wichtigkeit der Jugend in der Demokratie gewertet werden. Gleichzeitig bürdet es dem Bildungssystem und den Lehrpersonen die Verantwortung auf, ihre Schüler:innen darauf vorzubereiten. Dies trägt weiter zu der Verantwortung des Bildungspersonals bei. Eine Einbindung von Citizen Science Projekten kann, wie eben gezeigt, dabei helfen dieses Ziel zu erreichen.

Weiters hilft es der Wissenschaft zugänglicher zu werden, indem Forschungsprozesse demokratischer gestaltet werden. Außenstehende werden in den wissenschaftlichen Prozess miteinbezogen und können so ihre Ideen und Ansichten einbringen. Die strukturelle Hürde, die zwischen den Wissenserzeugern (Forscher:innen) und den Wissenskonsumenten (Bürger:innen, Schüler:innnen, etc) besteht, wird somit abgebaut. Die elitär empfundenen Wissenschaften öffnen sich dadurch der Gesellschaft und werden nah- und erfahrbar. Das österreichische Forschungsprogramm „Sparkling Science" hat sich das beispielsweise zur Aufgabe gesetzt (Sparkling Science sa).

Bei der Gestaltung ist jedoch darauf zu achten, dass diese demokratischen Ideale nicht durch die Projektstruktur konterkariert werden. Ringel et al. (2014) analysierten ein Schulprojekt ebenjenes Forschungsprogramms. Sie stießen auf hierarchische Strukturen, die jene gleichberechtigte Forschungsgestaltung missen ließen. Schüler:innen sollten dabei Aufgaben ausführen, die ihnen genau beschrieben wurden. Bei etwaigen Fehlern oder Abweichungen griffen die Wissenschaftler:innen ein und stellten sicher, dass der Prozess `richtig´ ausgeführt wird. Dadurch waren die Schüler:innen lediglich passive Entscheidungsempfänger. Das führte zudem zu Motivationsproblemen bei den Schüler:innen, die das Projekt zum Teil als normale Schultätigkeit empfanden.

Eignung für jeweilige Altersklasse

Ein weiterer Knackpunkt ist die Auswahl der Schulstufe. Ist ein Projekt zu leicht für die Schüler:innen stellt sich kein Lerneffekt ein, da sie nicht gefordert werden. Umgekehrt leidet die Datenqualität, wenn sich ein Projekt als zu schwierig herausstellt. Bei überforderten Schüler:innen stellt sich ebenfalls kein Lerneffekt ein. Es könnte eher abschreckend wirken wieder wissenschaftlich aktiv zu werden. In der zuvor beschriebenen Studie von Kelemen-Finan et al. (2018) konnte dies beispielsweise beobachtet werden.

Die Eignung für bestimmte Altersklassen ist von Projekt zu Projekt verschieden. „naturbeobachtung.at" ist für alle Altersklassen geeignet. Von der Volkschule an aufwärts werden hier Projekte in Schulen veranstaltet. Sie müssen jedoch der Altersstufe gerecht aufbereitet werden. In der Volksschule könnten die Unterschiede zwischen Insekten und Säugetieren oder die Biodiversität im Mittelpunkt stehen, während in Maturaklassen bereits morphologische Unterschiede oder Verhaltensanalysen gemacht werden könnten.

Die Sensebox wird in 600 Schulen aller Formen benutzt, wie Herr Bartoschek in seinem Vortrag erzählte. Da diese aber ein hochtechnologisches Produkt ist, gab es bereits einige Probleme in der Anwendung. Wirwahn und Bartoschek (2015) gaben in einer Studie den Testpersonen die Aufgabe eine Sensebox zusammenzubauen, die notwendige Software zu installieren und sie im Sensornetzwerk online zu registrieren. Schüler:innen und Lehrpersonal nahmen teil. Vier der elf Teilnehmer konnten diese Aufgabe ohne Hilfe bewältigen. Die größte Problemquelle war die Installation der Software. Diese schlug trotz detaillierter Anleitung häufig fehl. Burger (2016) fand in ihrer Studie heraus, dass eine Mehrheit der untersuchten Citizen Science Projekte für Sekundarstufe II ausgelegt sind. Denn diese erforderten hohe kognitive Fähigkeiten. Wieder scheint hier der Austausch zwischen Lehrenden und Forscher:innen wichtig zu sein. Denn die Eignung für eine bestimmte Altersstufe benötigt eine Bewertung des Projektes und der Fähigkeiten der Schüler:innen.

Die Einbindung von Citizen Science in die Schule zeigte Potenzial auf mehreren Ebenen. Innerhalb des Lehrplans können solche Projekte eingesetzt werden, um partizipativ Lehrmaterialien zu erarbeiten. Weiters bieten Citizen Science Projekte entstandenes Lehrmaterial im Sinne des Open Source zur Verwendung von Lehrpersonen an. Zudem kann Citizen Science in Form von Workshops in den Unterricht integriert werden. Die Einbindung von Citizen Science führt zu Motivationssteigerung bei den Schüler:innen. Außerdem können Bildungsziele durch Citizen Science erreicht werden, die über den Lehrplan hinausgehen. Dazu gehören Scientific Literacy, Sensibilisierung für umwelt- oder gesellschaftlich relevante Themenfelder und Stärkung der Demokratie durch Partizipation. Zu beachten bei der Kooperation von Citizen Science und dem Bildungssystem ist, dass das Projekt einem Bildungsauftrag nachkommt und sich nicht auf reine Sensorentätigkeit beschränkt. Zudem sollte bei der Ausgestaltung der Projektstruktur auf eine demokratische Beziehung zwischen Schüler:innen und Forscher:innen geachtet werden und keine hierarchischen Strukturen etabliert werden. Weiters spielt in der Konzeption die Eignung der jeweiligen Altersklasse der Schüler:innen für das Projekt eine wichtige Rolle.

Citizen Science bietet daher Möglichkeiten Schüler:innen zu fördern. Die konkrete Ausgestaltung des Projekts ist jedoch entscheidend, um sowohl einen Bildungsauftrag zu erfüllen und über den Lehrplan hinausgehende Bildungsziele zu erreichen, als auch den Wissenschaftler:innen eine ausreichende Qualität der generierten Daten zu bieten. Als besonders wichtig zeigte sich dabei die Zusammenarbeit von Lehrpersonal und den Forscher:innen. Denn die Lehrer:innen bringen eine pädagogische Ausbildung und Wissen um ihre Schüler:innen mit, während die Wissenschaftler:innen Experten in ihrem Forschungsfeld sind und die wissenschaftliche Arbeitsweise verinnerlicht haben. Aus dem Zusammenspiel dieser Kompetenzen lässt sich das aufgezeigte Potenzial ausschöpfen, sowie die besprochenen Stolpersteine aus dem Weg schaffen, um den Schüler:innen ein hochwertiges Bildungserlebnis zu bieten.

Literaturverzeichnis

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Sparkling Science sa. Programmziele. Verfügbar unter: https://www.sparklingscience.at/de/info/programmziele.html (abgerufen am 31.5.2021).

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