In dieser Interviewserie stellen wir „Citizens" und deren Motivation zum Mitmachen bei den verschiedenen Citizen-Science-Projekten vor.
Diesmal geht es um das Projekt „Mykodata - Datenbank der Pilze Österreichs" der Österreichischen Mykologischen Gesellschaft. Dabei werden das Vorkommen und die Verbreitung der Pilze in Österreich dokumentiert und ausgewertet. An dem Projekt sind zahlreiche Mykologen, Bürgermykologen und Institutionen beteiligt. Gemeinsam werden Daten von der Verbreitung von Pilzen erhoben. Im sogenannten Pilzfinder können online Beobachtungen gemeldet und ausgewertet werden. Österreichweit tragen auch Citizen scientists mit ihren Pilzdaten vermehrt zum Erfolg des Projekts bei.
Die Interviewerin Sophie Hanak sprach mit den zwei Citizen scientists Florian Kogseder (FK) und Markus Sabor (MS):
Wann haben Sie begonnen sich für Pilze zu interessieren und wie kam es dazu?
FK: Ich habe mich schon als Kind für Pilze interessiert und war öfter mit meinem Vater Steinpilze suchen. Meine Großmutter zeigte mir dann einmal einen Zeitungsartikel über das Pilze züchten und das musste ich unbedingt ausprobieren. Seit einigen Jahren ist die Pilzzüchterei mein Beruf.
MS: Ich beschäftige mich schon seit über 30 Jahren mit den einheimischen Orchideen und halte dazu auch Vorträge. Im Zuge von Wienerwaldwanderungen am Jahresanfang 2019 (wo nichts fliegt und blüht) wurden dann die Pilze zusätzlich als interessantes Thema entdeckt und werden seitdem ganzjährig mit den anderen Artengruppen mitdokumentiert.
Somit bin ich eigentlich ein Pilzfotograf und kein typischer Pilzsammler. Die ungewöhnlichen Wuchsform /Farben /Wachstum Bedingungen der Pilze sind faszinierend, vor allem die oft völlig unbeachteten Pilze auf Altholz sind oft spektakuläre Fotoobjekte.
Wo suchen sie Pilze?
FK: In der Umgebung von Molln in Oberösterreich. Das ist in der Gegend des Nationalparks Kalkalpen.
MS: Überwiegend in der näheren Umgebung, im Bereich Wienerwald. Ich halte aber auch inzwischen bei allen anderen Ausflügen/Wanderungen und Exkursionen nach Pilzen Ausschau.
Was machen Sie mit den gefundenen Pilzen?
FK: Ich bin leider zeitlich eher eingeschränkt, aber wenn ich gehe, dann suche ich eher weniger Speisepilze, sondern kartiere mehr.
MS: Nachdem ich grundsätzlich keine selbst gesammelten Pilze esse, werden im Normalfall nur einzelne Pilze zum Nachbestimmen bzw. als Beleg zum Trocknen mitgenommen. Der überwiegende Teil der beobachteten Pilze bleibt dort, wo sie wachsen. Das Hauptaugenmerk liegt auf der Pilzfotografie. Eine Ausnahme bildeten heuer die in großer Menge vorhandenen Sommersteinpilze.
Was war ihr bisher spannendster Fund?
FK: Da ich auch Schafe halte, beschäftige ich mich gerne mit Pilzen auf dem Magerrasen. Dort habe ich schon recht interessante Arten entdeckt, wie etwa den sehr seltenen Schwärzender Wiesenritterling.
MS: Ich denke der Fund des völlig unscheinbaren Antherenbrandpilzes (Antherospora vindobonensis) auf den Blüten des Wiener Blausterns (Scilla vindobonensis) im März 2020 ist etwas Besonderes gewesen. Ebenfalls im März 2020 konnte ein Zunderschwamm auf einer Eiche im Wienerwald gefunden werden, der nach genauer Untersuchung doch kein „normaler" Zunderschwamm ist. Am faszinierendsten war bisher der Fund eines, leider nicht genau bestimmbaren, Stemonitis Pilzes. Der wurde um 08:46 auf einem Laubblatt im Wald entdeckt und mitgenommen, in diesem Zustand war er eine unscheinbare weiße Masse. Beim Fotografieren zuhause um 12:52 war der Pilz dann massiv gewachsen und hatte schon ein anderes Aussehen als vier Stunden zuvor. Und um 17:44 wurde der Pilz dann noch einmal betrachtet und das Schauspiel war vorbei - es war nur mehr ein schwarzer Brei.
Was finden Sie bei der Bestimmung der Pilze am schwierigsten?
FK: Um zeitnah zu einem Ergebnis zu kommen, sollte man über die extrem hohe Artenzahl zumindest halbwegs einen Überblick haben. Weiters ist es nicht einfach auf einem aktuellen wissenschaftlichen Stand zu bleiben, weil sich auf diesem Sektor sehr viel tut. Der Zugang zu entsprechender Literatur ist oftmals schwierig, da es in vielen Bereichen Spezialliteratur braucht. Diese ist jedoch oft nur schwer zugänglich und macht sich auch finanziell durchaus bemerkbar.
Oft ist die Qualität und Größe von Kollektionen ein Problem, weil man oft mit nur wenigen Fruchtkörpern arbeiten muss und diverse Merkmale im Verlauf der Entwicklung (und auch in Abhängigkeit von den aktuellen Wuchsbedingungen) einer relativ großen Schwankungsbreite unterliegen können.
MS: Die Vielzahl an ähnlichen Arten, die z.T. massiven Unterschiede zwischen Jung- und Altpilz und die Kurzlebigkeit der Pilze - am nächsten Wochenende noch einmal bei einem Pilz vorbei schauen, ist oft nicht möglich, da der Pilz dann verfallen oder komplett weg ist, das geht mit Pflanzen in der Regel wesentlich einfacher.
Wie nutzen Sie den Pilzfinder?
FK: Für mich ist das Programm sehr hilfreich, weil man dadurch auf einfachen Wegen zeitnah eine Vernetzung zu Experten bekommen kann. In die Europakarte trägt man die Fundpunkte ein und dann wird dies von Wissenschaftlern betreut, die dann die Exemplare anschauen und die Daten gegebenenfalls weiterverarbeitet. Wenn Funde sehr interessant für die Herbarisierung sind, dann bekommt man Rückmeldung und schickt die Probe an die Uni. In erster Linie ist es eine einfache Art die Kartierungsdaten an jene Stellen weiterzuleiten, die wissenschaftlich auswerten können.
MS: Beim persönlichen Kennenlernen von Frau Greilhuber am Tag der Artenvielfalt des Biosphärenparks Wienerwald im Jahr 2019 habe ich erstmals vom Pilzfinder gehört. Seitdem gebe ich meine Pilzfunde dort ein. Inzwischen entweder schon bestimmte Meldungen, weil ich den Pilz glaube selber zu kennen, oder eben als unbekannt in der jeweiligen Gruppe. Soweit am Foto möglich, werden die unbekannten Pilze dann sehr rasch bestimmt.
Wie ist Ihr Zugang zu Citizen science? Wann sind Sie das erste Mal damit in Berührung gekommen?
FK: Zur wissenschaftlichen Mykologie habe ich bereits vor einigen Jahren Kontakt aufgenommen, in erster Linie über die Mykologische Arbeitsgemeinschaft des Oberösterreichischen Landesmuseums. Auf das Projekt "Pilzfinder" bin ich über das Forum der Österreichischen Mykologischen Gesellschaft aufmerksam geworden.
MS: Das erste Kennenlernen eines Citizen science Projektes war das Projekt Habichtskauz beim Tag der Artenvielfalt des Biosphärenparks Wienerwald im Jahr 2015. Seit 2016 erfolgt bei diesem Projekt eine aktive Mitarbeit mit Kontrollen von Nistkästen im Wienerwald. Seit einiger Zeit bin ich auch im Naturbeobachtungsforum des Naturschutzbundes und seit kurzem auch bei den Schmetterlingen Österreichs (Blühendes Österreich) aktiv.
Wie wichtig finden Sie die Einbindung der Bevölkerung in die Wissenschaft?
FK: Ganz allgemein betrachtet schafft es natürlich eine größere Anzahl von Personen auch immer eine größere Menge an Daten zu sammeln. Weiters führt das Einbinden von Laien auch zu einer höheren Sensibilisierung für Artenvielfalt, natürliche Zusammenhänge und Schutzbedarf bedrohter Habitate und Arten in der Bevölkerung.
Wenn ich in diesem Zusammenhang meine eigene Mitarbeit an dem Projekt betrachte, so ist es sicherlich von Vorteil, dass mein Lebensmittelpunkt eben nicht im städtischen Bereich ist und ich auch beruflich nicht an eine Universität gebunden bin. Einerseits ist es mir durch meine Ortskenntnis natürlich leichter möglich einen Überblick über interessante Suchgebiete zu bekommen, andererseits kann ich auch kurzfristiger auf passende Witterungsbedingungen reagieren und interessante Gebiete entsprechend regelmäßiger aufsuchen. Speziell bei Pilzen ist dies, durch das zeitlich recht begrenzte Auftreten der Fruchtkörper, doch ein wichtiger Faktor für eine effiziente Kartierung.
MS: Das Einbinden von der Bevölkerung in diverse wissenschaftliche Projekte finde ich sehr wichtig. Einerseits besteht für die interessierten Laien die Möglichkeit, sich in diesem Bereich weiterzubilden, und für die Wissenschaft hat es den großen Vorteil, eine Reihe von Mitarbeitern zu bekommen, die im Gelände an vielen Punkten gleichzeitig unterwegs sein können. Das würde mit angestelltem Personal unbezahlbar und somit unmöglich sein.
Was machen Sie beruflich?
FK: Ich habe mein kostspieliges Hobby zum Beruf gemacht und bin schon seit ein paar Jahren mit meiner Pilzmanufactur selbstständig. Wir haben uns auf die Züchtung ausgefallene Pilzarten spezialisiert, wie etwa den Igelstachelbart oder Stockschwammerl und vermarkten diese in der Spitzengastronomie. Wir stellen die Substrate, auf denen die Pilze wachsen, selber her und sind so recht variabel in den Arten, die wir anbauen können, das unterscheidet uns von anderen Betrieben.
MS: Ich bin im Controlling von Infrastrukturprojekten tätig, somit keinerlei Verbindungen zu Pilzen & Co. Die Beschäftigung in und mit der Natur ist ein idealer Ausgleich zum Bürojob.