Oder: wie ich doch noch auf wahrscheinlich ziemlich legalem und ordnungsgemäßem Weg zu meiner Wechselkröte kam. Gedanken zum Ende der ersten AmphiBiom-Saison.
Eigentlich muss ich für diese Geschichte ziemlich weit ausholen, so ca 14 Jahre. Als ich dem Herzensmann und seinem Haus in Schwechat damals näher kam, war das erste, was ich hörte ein melodiöses Trillern aus der Nachbarschaft. Ich - naturinteressiert aber aus dem Salzachtal stammend - konnte das nicht zuordnen. Angeblich "irgendein Frosch".
Einige Jahre später entdeckten wir bei einem unserer Besuche bei meinen Eltern in Salzburg Molche im Badeteich. Die Biotop-Dichte im Tennengau ist schon so hoch, dass die Tiere weit verbreitet sind, einfach deshalb, weil sie zwischen den Biotopen nicht mehr weit wandern müssen. Mit glänzenden Kinderaugen stellen wir fest: sowas wollen wir auch! Kaum zurück in Schwechat, begannen wir zu graben. Ein 1000 Liter Biotop wurde eingepasst - im schattigen Eck des Gartens, damit die Algen nicht so wuchern.
Und dann lernte ich Nachbarin Irmi (Name von der Redaktion geändert) kennen und das Geheimnis des melodiösen Trillerns. Irmi war mir gleich sympathisch, denn spätestens in dem Moment, als sie mir erzählte, sie hätte einmal bei einer ihrer Schildkröten, die fast ertrunken wäre, Mund-zu-Mund-Beatmung vollzogen, wusste ich - wir Nerds sind nicht alleine in der Nachbarschaft. Die Beatmung war übrigens erfolgreich, weder die Schildkröte noch Irmi trugen Schäden davon (Hinweis: don´t try this at home. Reptilien haben im Verdauungstrakt oft Salmonellen und andere Grausligkeiten, fragen Sie den Tierarzt Ihres Vertrauens). Jedenfalls ist die Flachwasserzone von Irmis riesigem Koi-Teich dicht mit Riesenbinsen bewachsen - und dort tummeln sich Wechselkröten und sorgen heftig für Nachwuchs.
Etwas später gab es da noch die Geschichte mit dem Flugzeugfrosch. Irmi hatte im Garten einen Teichfrosch - vermutlich. Jedenfalls ein lautes Tier, nachts, aber auch, sobald ein Flugzeug landete oder startete, was in Schwechat ja bekanntlich nicht unbedingt eine Ausnahmesituation darstellt. Irmi hat ihn kurzerhand gepackt und in unser Schatten-Biotop geworfen, zu unserer aber nicht des Frosches Freude - dem war es zu finster. Er wanderte aus, und das gleich mehrmals. Schatten ist gut gegen Algenwachstum, aber Amphibien haben es doch ganz gerne sonnig, was wohl auch der Grund dafür ist, dass wir nie Wechselkröten zu Gast hatten. Das Biotop ist voller Libellenlarven und Igel, Marder, Fuchs kommen zum Trinken, aber Lurche leider nicht. Ach ja - weniger erfreut waren wir über die Enten. Ein grell-pinker Flamingo-Schwimmreifen und übers Biotop gespannte Schnüre dienen hier als Entenschreck, den Igeln ist das egal.
Irgendwann im Herbst 23 lese ich auf orf.online über das Projekt AmphiBiom und hätte vor Aufregung fast den Frühstückskaffee ins Bett gekippt. Ein lauter Triumphschrei - da bewerben wir uns, und den Herzensmann muss man ohnehin nicht lange überreden. Wir bekamen tatsächlich einen Zuspruch, und diesmal wurde das Becken unter sachkundiger Anleitung eines Biologen richtig in der Sonne platziert, genau dort, wo ich begonnen hatte, ein Eidechsenbiotop einzurichten.
Außerdem waren wir auf der Hut vor Irmis Froschbewegungen. Sie wurde aufgeklärt, dass ein 5 Meter Krötenweitwurf möglicherweise keine "Faunenverfälschung" darstellt, aber das Experiment wesentlich gefährdet. Wir tauschen trotzdem heftig aus, vor allem Pflanzenmaterial jeglicher Art, vom Sechuanpfeffer bis zur Keniabanane wandert hin und her.
Mittlerweile mussten wir auch feststellen, dass es von überall in der Nachbarschaft trillert. Es sind im Radius von 50 Metern etwa weitere drei Biotope, in denen fröhlich die Kröten tun, was eine Kröte tun muss. Dass bei uns Anfang Juli noch immer keine singt, betrachten wir als persönliche Niederlage. Eidechsen sind auch noch keine gekommen - nur den Enten ist es nicht zu blöd, das winzige Biotop zu erobern. Also wieder Schnüre spannen.
Da wir die Kameras immer gezückt halten, trösten wir uns mit massenhaft anderen Bildern aus der Natur, die uns unmittelbar umgibt. Vor allem die Liesing zieht mich in ihren Bann. Von Alterlaa nach Schwechat wurde/wird heftig renaturiert und die Natur erobert sofort die schönen Plätzchen.
Es ist mittlerweile Ende Juli geworden, und plötzlich, eines Tages! Wir sitzen in unserem Domizil in Wien, der Herzensmann, der den Garten ja ständig mit Nachtsichtkameras überwacht, spielt am Mobiltelefon. Und es trillert plötzlich in unserem Wiener Wohnzimmer! Vor Ort können wir uns dann selbst überzeugen - wir haben tatsächlich den ersehnten Gast. Irmi schwört beim Augenlicht ihres Pudels, sie hätte nichts damit zu tun. Wir können also davon ausgehen, dass die Kröte aus freien Stücken zu uns übersiedelt ist, alle anderen Plätze in der Gegend sind ja bereits voll mit Kröten.
Mitte August wird es dann still in der Gegend. Zum Laichen bzw. Anlocken eines Weibchens hat unserer Kröte die Zeit nicht mehr gereicht. Aber immerhin ist unser Biotop jetzt bekannt in der Kröten-Community, wir hoffen also auf Wiederbesiedelung plus Nachwuchs im nächsten Jahr.
Achja - seit kurzem ist übrigens der Flugzeugfrosch wieder hier, aus freien Stücken eingewandert. Im AmphiBiom-Biotop in der Sonne. Er darf bleiben und den Herbst hier genießen.
Bildquelle soweit nicht anders angegeben: Bettina Seidl. Danke auch an Reinhard Sainitzer für die gespendeten Bilder.